Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendungsbereich des SachenRBerG, Vorliegen eines Überbaus
Leitsatz (amtlich)
1. Für eine durch einen Überbau entstandene besondere Eigentumssituation ist auch im Gebiet der ehemaligen DDR der Anwendungsbereich des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes nicht eröffnet.
2. Ein Überbau entsprechend § 912 BGB liegt dann nicht vor, wenn nachträglich ein Anbau errichtet wird, der in seinen Abmessungen vollständig auf dem Nachbargrundstück liegt.
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 06.06.2014; Aktenzeichen 3 O 1023/12 (2)) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Rostock vom 06.06.2014 wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis zu 9.000,00 EUR
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rechte aus der Inanspruchnahme einer im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücksfläche durch die Kläger. Diese begehren insofern die Feststellung, dass ihnen ein Ankaufsrecht nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zustehe sowie, dass die Beklagte keinen Anspruch gegen sie auf Zahlung "einer Pacht/Nutzungsgebühr" für die Nutzung der Grundstücksfläche habe.
Die Kläger sind Eigentümer des im Grundbuch von R., Blatt 80290, verzeichneten Grundstücks, bestehend aus dem Flurstück 602 der Flur 1 in der Gemarkung W. Die Beklagte ist Eigentümerin des angrenzenden im Grundbuch von R., Blatt 8851, gebuchten Flurstücks 655/26 der Flur 1 in der Gemarkung W.
Die Kläger erwarben ihr Grundstück aufgrund notariellen Vertrages vom 14.02.1968. Zum Zeitpunkt des Erwerbs war das Grundstück mit einem Wohngebäude bebaut, das sich zur Straße hin mit einer abbruchreifen einetagigen Veranda in Holzbauweise fortsetzte, die auf dem angrenzenden, im Eigentum der Beklagten stehenden, Grundstück auf einer Fläche von ca. 25 m2 aufstand.
Am 08.05.1968 erhielten die Kläger eine Baugenehmigung, die sich auf "Aufstockung, Werterhaltung und Teilabbruch" bezog. Im Zuge der nachfolgenden Baumaßnahmen auf der Grundlage dieser Baugenehmigung wurde u.a. die Holzveranda einschließlich der Feldsteine als Hilfsfundament vollständig abgerissen und durch einen Massivbau aus Mauerwerk mit massivem neuen Fundament und Betondecke ersetzt. Die Arbeiten insgesamt waren 1970 abgeschlossen.
Beim Erwerb des Grundstücks und den späteren Baumaßnahmen sind die Kläger davon ausgegangen, dass die Grundfläche des Gesamtobjektes den übereigneten Kaufgegenstand darstellte.
Mit Schreiben vom 10.03.2010 kündigte die Beklagte einen angeblich bestehenden Leihvertrag und fordert seitdem von den Klägern die Zahlung eines Nutzungsentgeltes, zuletzt - für die Zeit ab 01.01.2012 - i.H.v. 602,04 EUR jährlich unter Zugrundelegung eines Verkehrswertes von 344,00 EUR/m2.
Ein auf Antrag der Kläger eingeleitetes notarielles Vermittlungsverfahren gem. §§ 87 ff. SachenRBerG wurde mit Beschluss des Notars Dr. Z. vom 11.07.2012 gem. § 94 Abs. 2 SachenRBerG ausgesetzt.
Die Kläger haben erstinstanzlich die Auffassung vertreten, ihnen stehe ein Ankaufsrecht nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz an der Teilfläche des Grundstücks der Beklagten zu. Der Anspruch nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz ergebe sich aus §§ 1 Abs. 1 Nr. 1c, 4 Nr. 1, 5 Abs. 1 SachenRBerG i.V.m. § 10 Abs. 2 SachenRBerG und § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 SachenRBerG.
Sie haben vorgetragen, die Bebauung und teilweise Bausanierung auf den beiden Flurstücken sei zeitgleich und somit "aus einem Guss" erfolgt, so dass die "Veranda" nicht als Anbau im technischen wie rechtlichen Sinne zu verstehen sei.
Die Abtrennung des Bauwerkes, das sich auf dem streitbefangenen Grundstücksteil befinde, bedeute nicht nur dessen Zerstörung, sondern auch die Zerstörung des Wohnhauses der Kläger auf ihrem Grundstück.
Hier liege daher der Fall des zwar rechtswidrigen aber entschuldbaren Falles des Überbaues vor, für den § 912 BGB anwendbar sei, da die Kläger ausweislich des Kaufvertrages davon ausgegangen seien, das Gesamtareal stehe in ihrem Eigentum.
Der Beklagten stehe mithin kein Anspruch auf Pacht oder Nutzungsentschädigung zu.
Die Beklagte hat u.a. erwidert, dass ein Anspruch nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht gegeben sei. Ziel des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes sei es, getrennte Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden einerseits und Gebäuden andererseits aufzuheben und denjenigen, die bauliche Investitionen auf fremdem Grund und Boden vorgenommen hätten, die Möglichkeit einer Verdinglichung ihrer Investitionen zu eröffnen.
Von der Sachrechtsbereinigung umfasst seien allerdings nur Tatbestände, in denen sich die Nutzereigenschaft aus einem verliehenen oder zugewiesenen Nutzungsrec...