Entscheidungsstichwort (Thema)
Löschungsbewilligung einer Hypothek Zug um Zug gegen Befriedigung bei noch nicht erfolgter Zahlung
Leitsatz (amtlich)
Der Klage auf Abgabe der Löschungsbewilligung Zug um Zug gegen Befriedigung der gesicherten Forderung steht nicht entgegen, dass eine vollständige Befriedigung der Gläubigerin - der Beklagten - noch nicht erfolgt ist.
Normenkette
BGB § 1144
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 16.10.2009) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Rostock vom 16.10.2009 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 13.000 EUR
Tatbestand
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin gegeben.
Der Klage auf Abgabe der Löschungsbewilligung Zug um Zug gegen Befriedigung der gesicherten Forderung steht nicht entgegen, dass eine vollständige Befriedigung der Gläubigerin - der Beklagten - noch nicht erfolgt ist.
In der überwiegenden Literatur finden sich zu der Frage der Klagbarkeit durch den Eigentümer vor Befriedigung oder zumindest vor einem tatsächlichen, den Gläubigerverzug begründenden Angebot keine eindeutigen Aussagen. Die Klagbarkeit des Anspruchs vor Befriedigung wird aber nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Einigkeit besteht darin, dass der Eigentümer, wenn der Gläubiger die Leistung aus dem Grundstück verlangt, sich gem. §§ 273, 274 BGB auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen kann (Staudinger/Wolfsteiner, § 1144 BGB Rz. 24 m.w.N.; Erman/Wenzel, 12. Aufl., § 1144 BGB Rz. 5; BGB-RGRK/Mattern, 12. Aufl. 1996, § 1144 BGB Rz. 1). Zur Durchsetzbarkeit des Aushändigungsanspruches führt beispielsweise Bassenge (in Palandt, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., § 1144 BGB Rz. 2) aus, dass der Eigentümer vor Befriedigung ein Zurückbehaltungsrecht habe und den Gläubiger in Annahmeverzug setzen könne, wenn dieser nicht aushändige. Nach Befriedigung könne der Gläubiger auf Erfüllung klagen (ähnlich auch Eickmann in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 1144 Rz. 29, 30). Auch das OLG Köln (Beschl. v. 21.3.1983 - 2 W 13/83, MDR 1983, 668 f.) vertritt in einem Fall, in dem nach Bezahlung der Hauptforderung noch Kosten des Gläubigers nach § 897 BGB offen waren, dass, sofern der Grundstückseigentümer den Gläubiger bereits befriedigt habe, § 1144 BGB das Recht gewähre, auf Aushändigung der dort bezeichneten Urkunden zu klagen.
Konzen (in Soergel, Kommentar zum BGB, 13. Aufl., § 1144 Rz. 1, 10) führt dagegen ausdrücklich aus, dass die §§ 1144, 1145 BGB die Rechte des Eigentümers insofern erweiterten, als Herausgabe des Hypothekenbriefs und Überlassung der Urkunden Zug um Zug gegen Befriedigung des Gläubigers verlangt werden könne. Derselbe und Mattern (in BGB-RGRK, a.a.O., § 1144 BGB Rz. 1, 15) stellen ausdrücklich klar, dass dies auch die Klage umfasse. Auch das Reichsgericht hat in einer Entscheidung vom 11.11.1925 (V 22/25, RGZ 111, 397 ff.) die Zulässigkeit einer Klage auf Erteilung der Löschungsbewilligung Zug um Zug gegen Zahlung des aus der Hypothek geschuldeten Betrages ohne weiteres angenommen.
Nach Auffassung des Senats ist dieser Auffassung zu folgen und die Zulässigkeit einer derartigen Klage grundsätzlich und auch im vorliegenden Fall zu bejahen. Dies entspricht dem Zweck des § 1144 BGB, der im Hinblick auf die Besonderheiten des Grundbuchs dem Eigentümer über das Recht auf Quittung nach § 368 BGB hinaus einen Anspruch auf Erhalt aller zur Löschung oder Grundbuchberichtigung erforderlichen Urkunden zuspricht, um ihn vor Verfügungen des Hypothekars in der Zeit zwischen Befriedigung und Urkundenaushändigung zu schützen (Eickmann in MünchKomm/BGB, § 1144 Rz. 1; Palandt/Bassenge, § 1144 BGB Rz. 1; BGB-RGRK/Mattern, § 1144 Rz. 1; Bamberger/Roth/Rohe, § 1144 Rz. 1). Dies kann zum einen dadurch erreicht werden, dass der Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht an der geschuldeten Leistung (Eickmann in MünchKomm/BGB, § 1144 Rz. 29 m.w.N.; Palandt/Grüneberg, § 368 Rz. 7 m.w.N.) geltend machen kann. Der Schuldner ist aber nicht darauf beschränkt und auch nicht darauf, den Gläubiger erst in Annahmeverzug zu versetzen und gegebenenfalls den geschuldeten Betrag zu hinterlegen, ehe er auf Erteilung der Urkunden gem. § 1144 BGB klagen kann. Eine solche Beschränkung würde dem Regelungszweck insbesondere in dem Fall nicht gerecht, in dem der Gläubiger ankündigt, die Urkunden erst zu erteilen, wenn der Eigentümer auch weitere Forderungen erfüllt hat, von denen streitig ist, ob die dingliche Sicherung sie umfasst. Der Zweck kann dann mit der Klage auf Quittungserteilung Zug um Zug gegen Zahlung der Hypothekenforderung erreicht werden. Insoweit hat auch der BGH in einem Beschluss vom 1.3.1994 (XI ZR 149/93, NJW 1994, 1475) keine Zulässigkeitsprobleme für eine Klage auf Herausgabe von Grundschuldb...