Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Reiseveranstalters
Leitsatz (amtlich)
1. Alleinige Rechtsgrundlage einer Haftung des Reiseveranstalters für deliktische und reisevertragliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche ist die Anlage zu § 664 HGB "Bestimmungen über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See".
2. Konkurrierende deliktische Schadensersatzansprüche aus §§ 823, 831 BGB bestehen zu § 664 HGB nicht. Sie sind nach Art. 11 der Anlage zu § 664 HGB ausgeschlossen. Nach dieser Regelung können Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung oder aus anderen Gründen lediglich unter den in der Anlage vorgesehenen Voraussetzungen und Beschränkungen geltend gemacht werden. Dies gilt auch für Reiseveranstalter.
3. Auch konkurrierende vertragliche Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung gem. § 651f BGB, einschließlich des Entschädigungsanspruches wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (Abs. 2) sind nach Art. 11 der Anlage zu § 664 HGB ausgeschlossen.
Normenkette
BGB §§ 823, 831, 651f Abs. 2; HGB § 664 Anl 1 Art. 11
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 29.01.2010; Aktenzeichen 3 O 423/08) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des LG Rostock vom 29.1.2010 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 997,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.6.2007 zu zahlen.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien (der Kläger wegen der Kosten des Verfahrens) können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Wert der Berufung beträgt bis 22.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen behaupteter Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.
Der Kläger hatte für die Zeit vom 09. - 16.7.2004 eine Kreuzfahrt auf der ... gebucht. Reiseveranstalter und Beförderer war die ..., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist.
Am 10.7.2004 gegen 04.00 Uhr benutzte der Kläger einen auf dem Deck der ... befindlichen Whirlpool. Beim Verlassen desselben rutschte er nässebedingt auf der Kunststoffumrandung aus, rutschte die geschwungene Umrandung herab und fiel am Fuße der Umrandung in die Glasscherben einer zerbrochenen Wein- oder Sektflasche. Er zog sich Schnittverletzungen am linken Kniegelenk und am rechten Fußgelenk sowie am Gesäß zu, die vom Bordarzt versorgt wurden. Bis zur Beendigung der Reise musste der Kläger auf der Krankenstation des Kreuzfahrtschiffes verbleiben.
Der Kläger ist der Ansicht, dass es sich bei der Örtlichkeit um eine Gefahrenstelle handele, die nicht ausreichend gesichert gewesen sei. Bei Nässe bestehe insbesondere im Kunststoffbereich ein hohes Sturzrisiko. Der eigentliche Ausstieg aus dem Whirlpool sei nur mit einem einzigen Handlauf versehen; weitere Sicherungseinrichtungen fehlten. Zudem hätte die Beklagte dafür Sorge tragen müssen, dass am Whirlpool keine Glasscherben liegen.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung eines Schmerzensgeldes, das er i.H.v. 15.000 EUR für angemessen hält, die Rückzahlung des Reisepreises sowie seiner Aufwendungen für die Reiserücktrittsversicherung i.H.v. insgesamt 1.187 EUR, den Ersatz der Zuzahlungskosten für eine verletzungsbedingt erforderliche Kur i.H.v. 850 EUR sowie Erstattung sonstiger Zuzahlungen, die er mit mindestens 2.000 EUR beziffert.
Die Beklagte, die eine Verkehrssicherungspflichtverletzung in Abrede stellt, verweist darauf, dass der Kläger aufgrund mangelnder Vorsicht zu Fall gekommen sei. Das Ausrutschen im Sanitärbereich sei ein privates Unfall- und Verkehrsrisiko. Zudem sei vor der Rutschgefahr im Whirlpoolbereich gewarnt worden. Die Beklagte verweist darauf, dass der Whirlpool um Mitternacht abgelassen und um 04.00 Uhr wieder aufgefüllt werde. Das Reinigungspersonal habe keine zerschlagene Wein- oder Sektflasche gefunden. Eine solche wäre nach Beendigung der Poolparty und bei Inbetriebnahme des Pools entdeckt und weggeräumt worden. Etwaige Ansprüche seien zudem verjährt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung.
Mit Urteil vom 29.1.2010 hat das LG Rostock die Klage abgewiesen. Etwaige Ansprüche aus §§ 823, 831, 253, 249 ff. BGB bzw. §§ 651a ff. BGB seien verjährt und die Beklagte gem. § 214 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern. Für etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers wegen der Verletzung von Verkehrs-sicherungspflichten auf dem Kreuzfahrtschiff gelte die Verjährungsfrist des Art. 13 der Anlage zu § 664 HGB, wonach Ansprüche auf Schadensersatz in zwei Jahren verjähren, beginnend mit dem Tag der Ausschiffung des Reisenden. Diese...