Leitsatz (amtlich)
Führen der spätere Schuldner und sein Vertragsgegner, der eine Darlehnsforderung gegen den Schuldner hat, in der kritischen Zeit durch einen Kaufvertrag über Anlagevermögen des Schuldners eine Aufrechnungslage herbei, so ist der Insolvenzverwalter nicht auf die insolvenzrechtliche Anfechtung des Kaufvertrages beschränkt, sondern kann wegen des Aufrechnungsverbots gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO Zahlung des Kaufpreises zur Masse verlangen.
Normenkette
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 23.05.2002; Aktenzeichen 8 O 53/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Rostock vom 23.5.2002 – Az.: 8 O 53/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 9.203,25 EUR
Gründe
I. Der Kläger fordert als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners R.E. von der Beklagten die Zahlung des Kaufpreises für diverse landwirtschaftliche Geräte.
Die Beklagte gewährte dem späteren Schuldner, mit dem sie bis August 1999 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft verbunden war, am 28.11.1997 ein zinsloses Darlehen über 35.000 DM, das bis zum 31.12.2000 zurückzuzahlen war. Am 26.4.2000 und 18.5.2000 schloss die Beklagte als Käuferin mit dem Schuldner vier als Kaufverträge bezeichnete schriftliche Verträge, und zwar
am 26.4.2000
a) über eine Zugmaschine Ackerschlepper, Carraro Supertigre 2 einschließlich dazugehöriger Anbaugeräte, wobei für den Kauf des Traktors eine Verkaufssumme von 5.000 DM und für die Anbaugeräte von 2.500 DM vereinbart war,
b) sowie über einen VW TARO zu einem Kaufpreis von 8.000 DM,
am 18.5.2000
c) über einen Wohnwagenanhänger Knaus 450 zum Preis von 1.000 DM
d) und über diverse Gegenstände (ein Chemofass 2.000 l, ein Unterkunftscontainer, ein Einachser mit Flug und Fräse, eine Druckluftramme, ein Rasenmäher, eine Fotokamera, ein Stromerzeuger, eine Motorpumpe, zwei Motorsensen, ein Trennschleifer, zwei Bohrgeräte, fünf Motorsägen, eine Büroeinrichtung, ein Computer, ein Faxgerät, ein Drucker und Software) zum Preis von 18.500 DM.
In allen Verträgen heißt es:
„Die Bezahlung erfolgt bargeldlos, die Kaufsumme wird mit dem zinslosen Darlehen vom 28.11.1997 i.H.v. 35.000 DM in Verrechnung gebracht.”.
Der letzte Vertrag (d) enthält die Zusätze:
„gemäß Sicherungsübereignung vom 3.1.2000”
und
„Mit dem Erwerb der oben genannten Verkaufsgegenstände wird das Darlehen abgegolten, Frau A.W. erklärt, dass sie keine weiteren Ansprüche aus diesem Darlehen gegenüber Herrn E. geltend machen wird.”
In einem als
„Übergabeprotokoll gem. Sicherungsübereignung vom 3.1.2000”
bezeichneten, von ihnen unterschriebenen Schriftstück ermäßigten der Schuldner und die Beklagten den in dem Vertrag zu d) vereinbarten Kaufpreis auf 4.500 DM.
Nach Eigenantrag des Schuldners vom 30.6.2000 ordnete das AG Schwerin mit Beschluss vom 5.7.2000 die vorläufige Insolvenzverwaltung über dessen Vermögen an. Am 8.11.2000 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 15.1.2001 wandte er sich wie folgt an die Beklagte:
„Die Verrechnung/Aufrechnung des Kaufpreises mit dem angeblich gewährten Darlehen fechte ich hiermit an und fordere Sie auf, den Betrag von 35.000 DM (…) zu überweisen.”.
Der Kläger klagt auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 35.000 DM zzgl. Zinsen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Durch Urt. v. 23.5.2002 gab das LG der Klage mit der Begründung teilweise statt, die Aufrechnung der Darlehensforderung gegen die Kaufpreisforderung sei gem. §§ 96 Abs. 1 Ziff. 3, 130 Abs. 1 Ziff. 1, 138 Abs. 1 Ziff. 3 InsO unwirksam. Die teilweise Abweisung der Klage stützte es zum einen auf die Reduzierung des Kaufpreis im Übergabeprotokoll vom 19.5.2000, zum anderen auf ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten i.H.v. 2.500 DM wegen fehlenden Zubehörs des Traktors.
Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie führt aus, gegen die Auslegung der Verträge als Kaufverträge spreche der Wille der Vertragsschließenden, keine Juristen, denen es darum gegangen sei, keine neuen schuldrechtlichen Verträge neben den bereits bestehenden Darlehensvertrag zu begründen, sondern die Forderung der Beklagten gegen den Schuldner aus dem Darlehensvertrag praktisch und vernünftig zum Erlöschen zu bringen. Die Befriedigung der Beklagten habe durch Hingabe der bereits sicherungsübereigneten Gegenstände vonstatten gehen sollen. Die Abtretungserklärung vom 3.1.2000 sei wirksam und entspreche dem Bestimmtheitserfordernis gem. § 929 BGB. Mit Schriftsatz vom 17.5.2002 habe die Beklagte darauf hingewiesen, dass es sich bei den dort bezeichneten Gegenständen um das gesamte technische Anlagevermögen des S...