Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis des Wohnungseigentümers, Nutzung des Nachbargrundstücks als Zuwegung
Leitsatz (amtlich)
1. Jedem Wohnungseigentümer einer WEG steht ein Individualanspruch gemäß § 1004 BGB auf Beseitigung und Unterlassung einer Störung, z.B. wegen Lärms oder auch durch eine bauliche Veränderung zu.
2. Einer besonderen Ermächtigung durch die WEG bedarf es nicht.
3. Zum Anspruch der Nutzung des Nachbargrundstücks als Zuwegung zum eigenen hinteren Grundstücksteil
Verfahrensgang
LG Stralsund (Aktenzeichen 6 O 290/16) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts S. vom 20.04.2017 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 7.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung eines Tatbestandes sieht der Senat gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO ab.
II. Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Unterlassung der Errichtung des im Streit stehenden Zauns aus § 1004 BGB bzw. § 226 BGB zu.
a) Der Kläger ist zur Geltendmachung der Klage insoweit allerdings aktivlegitimiert.
Jedem Wohnungseigentümer einer WEG steht ein Individualanspruch gemäß § 1004 BGB auf Beseitigung und Unterlassung einer Störung, z.B. wegen Lärms oder auch durch eine bauliche Veränderung zu (vgl. BGH, Beschluss v. 19.12.1991 - V ZB 27/90 -, zit. n. juris, Rn. 9; BayObLG, Beschluss v. 17. 02.2000 - 2Z BR 180/99 - zit. N. juris. Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss v. 06.04.2010 - 20 W 78/08 -, zit. n. juris, Rn. 15; Reichel-Scherer in: Herberger/ Martinek/ Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 21 WEG, Rn. 149). Einer besonderen Ermächtigung durch die WEG bedarf es nicht (vgl. Heinemann in: Jennißen, Wohnungs-eigentumsgesetz, 5. Aufl. 2017, § 21 WEG Rn. 20).
Der BGH hat hierzu in einer aktuellen Entscheidung ausgeführt (BGH, Urteil vom 13.10.2017 - V ZR 45/17 -, zit. n. juris; Rn. 8)
"... Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats besteht für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB - anders als etwa für Schadensersatzansprüche - keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG, sondern lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG. Dies gilt nicht nur, wenn sich die Ansprüche gegen einen anderen Wohnungseigentümer richten (vgl. Senat, Urteil vom 7. Februar 2014 - V ZR 25/13, NJW 2014, 1090, Rn. 6; Urteil vom 4. Juli 2014 - V ZR 183/13, NJW 2014, 2861, Rn. 22; Urteil vom 5. Dezember 2014 - V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rn. 6 f.; Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 169/14, NJW 2016, 53 Rn. 5; jeweils mwN), sondern auch dann, wenn Anspruchsgegner ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter ist (vgl. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rn. 10; Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 194/14, NJW 2015, 2968 Rn. 14; Urteil vom 22. Januar 2016 - V ZR 116/15, ZMR 2016, 382 Rn. 17)."
b) Indes liegt durch die Errichtung des im Streit stehenden Zauns keine direkte Beeinträchtigung des klägerischen Eigentums i. S. v. § 1004 BGB vor. Dies folgt bereits daraus, dass der Zaun vom Beklagten nicht " ... auf ..." dem Grundstück errichtet worden ist, an dem der Kläger ein Miteigentum hält, sondern auf seinem eigenen Grundstück bzw. auf der Grundstücksgrenze.
c) Der Kläger kann auch nicht geltend machen, dass eine Beeinträchtigung seines Miteigentums insoweit vorliegt, als ihm - wie im Übrigen auch den anderen Miteigentümern, den Lieferanten, den Gästen der Gaststätte und der Müllabfuhr - durch den Zaun als Hindernis die Zu- und Abfahrt auf den hinteren Teil des Grundstücks der Miteigentümergemeinschaft versperrt wird und er dadurch nicht mehr auf den rückwärtigen Teil dieses Grundstücks fahren und dort parken kann.
Der Kläger verkennt insoweit, dass von ihm diese Zu- und Abfahrt über ein fremdes Grundstück, nämlich das des Beklagten, begehrt wird, so dass dem vorliegend § 903 BGB entgegensteht, wonach der Eigentümer des Nachbargrundstücks - also der Beklagte - mit seinem Grundstück grundsätzlich nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung hierauf ausschließen kann.
Dem Kläger steht auch kein Recht auf Nutzung des das Grundstück des Beklagten quasi darstellenden Stichweges als sogenanntem Dritten zu (§ 903 S. 1 BGB).
Nach der Rechtsprechung kann ein Grundstückseigentümer die Beseitigung und Unterlassung der Behinderung der Zu- und Abfahrt (bzw. des Zu- und Abgangs) in entsprechender Anwendung von § 1004 Abs. 1 BGB vom bzw. zum öffentlichen Straßenland verlangen (OLG Hamm, Urteil vom 19. Juni 2017 - I-5 U 20/16 -, zit. n. juris, Rn. 71, 89; vgl. BGH, Urteil v. 01. Juli 2011 - V ZR 154/10 -, zit. n. juris, Rn. 9 ff.; BGH, Urteil v. 13.03.1998 - V ZR 190/97 -, zit. n. juris, Rn. 17). Die Berechtigung folgt daraus, dass zwar grundsätzlich eigentlich...