Leitsatz (amtlich)
Bei der näheren Auslegung des in § 1 Abs. 3 FlErwV verwandten Begriffs "Lebensmittelpunkt" ist nicht in erster Linie auf den Begriff "Hauptwohnung" des Melderechts abzustellen, denn aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich, dass § 1 Abs. 3 FlErwV über den melderechtlichen Begriff der "vorwiegend genutzten Wohnung" in § 12 MRRG a.F. in der bis zum Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des MRRG vom 11.3.1994 (BGBl. I, 529) geltenden Fassung (MRRG a.F.) hinausgeht.
Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 09.11.2006; Aktenzeichen 4 O 97/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Schwerin vom 9.11.2006 abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens der ersten und zweiten Instanz.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert: 520.000 EUR (Verkehrswert des Grundstücks § 6 ZPO).
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung eines auf der Grundlage des Ausgleichsleistungsgesetzes (AusglLeistG) und der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) abgeschlossenen Grundstückskaufvertrages. Sie privatisiert land- und forstwirtschaftliches Vermögen in den neuen Bundesländern nach dem Ausgleichsleistungsgesetz.
Der Beklagte bewarb sich unter Vorlage eines Betriebskonzeptes um forstwirtschaftliche Flächen im Landkreis P. Mit notariellem Kaufvertrag vom 25.2.2002 erwarb er Forstflächen in einer Gesamtgröße von über 276 ha zu einem Kaufpreis von 264.729,99 EUR.
§ 9 des Vertrages lautet:
"Sicherung der Zweckbindung
1. Der Abschluss dieses Vertrages erfolgt in der Annahme, dass dem Käufer für den Kaufgegenstand ein Erwerbsanspruch nach den Bestimmungen des AusglLeistG zusteht und er den Kaufgegenstand ab dem Stichtag (§ 6 Abs. 1) und sodann für die Zeit des Bestehens des Veräußerungsverbotes ordnungsgemäß im Sinne des Bundes- und Landeswaldgesetzes und nach Maßgabe des forstwirtschaftlichen Betriebskonzeptes vom 28.7.2001, welches in Kurzfassung als Anlage 2 zu dieser Niederschrift genommen wird und u.a. Grundlage für den Abschluss dieses Vertrages ist, bewirtschaftet.
2. Die Verkäuferin ist jeweils berechtigt, ganz oder teilweise von diesem Vertrag zurückzutreten, wenn ...
e) der Käufer seinen Hauptwohnsitz nicht innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss dieses Vertrages in die Nähe der Betriebsstätte verlegt und dort nicht für die Dauer von 20 Jahren nach Abschluss dieses Vertrages beibehält ..."
Hierneben unterschrieb der Beklagte am 28.7.2001 eine Verpflichtungserklärung, in der es heißt:
"Hiermit erkläre ich, der/die Unterzeichnende, dass ich gem. § 4 Abs. 2 FlErwV, soweit dies nicht bereits geschehen ist, meinen Hauptwohnsitz binnen einer Frist von zwei Jahren nach Abschluss des Kaufvertrages in die Nähe der Betriebsstätte verlegen werde. Mir ist bekannt, dass als Hauptwohnsitz der Lebensmittelpunkt im Sinne der vorwiegend benutzten Wohnung bzw. bei Verheirateten die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie zugrunde gelegt und diese Tatsache überprüft wird. Mir ist bekannt, dass der begünstigte Flächenerwerb rückabgewickelt werden kann, wenn ich den Hauptwohnsitz nicht für die Dauer von 20 Jahren nach Abschluss des Kaufvertrages dort beibehalten werde."
Der Beklagte hat eine Wohnung in F. am M., wo er als Jurist bei der D. B. angestellt ist. Neben seinem Dienst für die Bank ist er nach einer Bestätigung der Bank vom 11.10.2004 berechtigt, als freiberuflicher Anwalt tätig zu sein. Vor dem 25.2.2004 hat der Beklagte melderechtlich seinen Hauptwohnsitz in K., M., angemeldet. Eine entsprechende Meldebescheinigung legte er der Klägerin vor.
Die Klägerin trat mit Schreiben vom 3.3.2005 vom Kaufvertrag zurück und berief sich darauf, dass sich der Beklagte kaum in K. aufhalte und daher seinen Hauptwohnsitz nicht dorthin verlegt habe. Entgegen seiner Behauptung habe sich der Beklagte keinesfalls im Verlauf des Jahres 2004 an 44 Wochenenden in K. aufgehalten, sondern sei allenfalls einmal im Monat dort gewesen.
Mit Urteil vom 9.11.2006 (4 O 97/06) hat das LG Schwerin den Beklagten verurteilt, das Forstobjekt "H." bestehend aus den in der Anlage 1 zum Urteil näher bezeichneten im Grundbuch des AG Parchim von K. P. verzeichneten Grundstücken (85 Flurstücke) und den im Grundbuch des AG Parchim von D. verzeichneten Grundstücken (78 Flurstücke) in einer Gesamtgröße von 276,5551 ha an die Klägerin aufzulassen und die Eintragung der Klägerin im Grundbuch als Eigentümer zu bewilligen Zug um Zug gegen Zahlung von 264.729,99 EUR und die streitgegenständlichen Flächen an die Klägerin herauszugeben. Weiterhin hat es den Annahmeverzug des Beklagten seit dem 26.5.2005 festgestellt. Wegen der Entscheidungsgründe und der weiteren erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen nimmt der Senat...