Entscheidungsstichwort (Thema)
Stundung eines Pflichtteils, Familienheim
Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 2331a Abs. 1 BGB kann der Erbe Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere, wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, dass für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen.
2. Das Familienheim muss dabei nicht schon zum Zeitpunkt des Erbfalls die Lebensgrundlage bilden.
3. Bei der Stundung dürfen nicht nur die Interessen des Erben eine Rolle spielen. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen, da sich im Todesfall sein Anspruch auf Teilhabe am Erbe realisiert.
4. Eine Stundung kommt nicht in Betracht, wenn absehbar ist, dass der Erbe auch durch Stundung nicht in die Lage versetzt wird, sich jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen.
Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Aktenzeichen 4 O 87/14) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten vom 21.04.2017 gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 15.03.2017 - Az.: 4 O 87/14 - wird, soweit sie erneut zur Entscheidung durch den Senat steht, zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens.
3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1. genannte Urteil, soweit über dieses entschieden wird, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Kläger nehmen als Pflichtteilsberechtigte nach ihrem Vater die Beklagte, die dessen Enkelin und Alleinerbin ist, auf Zahlung in Anspruch. Wesentlicher Vermögenswert des Nachlasses ist ein bebautes Grundstück, dass nunmehr durch die Beklagte und ihre Familie zu Wohnzwecken genutzt wird.
Mit ihrer Klage haben die Kläger - soweit noch von Interesse - u.a. ihren Pflichtteil aus dem Wert des Grundstücks verlangt.
Die Beklagte hat Klageabweisung und hilfsweise Stundung des Pflichtteils beantragt.
Das Landgericht Neubrandenburg hat die Beklagte mit Urteil vom 15.03.2017 unter Abweisung der Klage im Übrigen im Wesentlichen dazu verurteilt, an die beiden Kläger jeweils 29.500,00 EUR als Pflichtteil zu zahlen. Den Antrag der Beklagten auf Stundung des Pflichtteils hat es abgewiesen. Wegen der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen und der Entscheidungsgründe nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug.
Der Senat hat mit Beschluss vom 20.10.2017 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.12.2017 zu dem Hinweis des Senates Stellung genommen hat, hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 18.12.2017 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Wegen des Inhalts des Hinweis- und des Zurückweisungsbeschlusses nimmt der Senat auf diese Bezug.
Die Beklagte hat gegen den Zurückweisungsbeschluss des Senates vom 18.12.2017, soweit er die abgewiesene Stundung betrifft, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erhoben. Mit Beschluss vom 21.11.2018 hat der Bundesgerichtshof den Senatsbeschluss vom 18.12.2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen die Abweisung ihres Antrags auf Stundung des Pflichtteils zurückgewiesen worden war, und die Sache insoweit an den Senat zurückverwiesen. Wegen der Begründung des Beschlusses nimmt der Senat auf diesen Bezug.
Betreffend ihr Stundungsbegehren trägt die Beklagte vor, die Erfüllung der Pflichtteilsansprüche beinhalte eine unbillige Härte für sie, die jetzt mit fünf Kindern das Haus bewohne und aus persönlichen Gründen wohl keinen weiteren Kredit erhalten werde.
Die Beklagte bestreitet, dass das Kaufangebot der Eheleute Sch., auf welches sich die Kläger berufen, ein ernsthaftes gewesen sei. Sie bestreitet auch, dass die Prozessbevollmächtigte der Kläger der Beklagten am 07.11.2013 das Kaufangebot der Eheleute Sch. übergeben habe. Das Haus sei nicht durch einen Verkauf verwertbar gewesen. Dass das Haus nach dem Erbfall leer gestanden habe, sei darauf zurückzuführen, dass die Klägerin durch Stellung eines eigenen Erbscheinsantrages die Erteilung eines Erbscheins zu Gunsten der Beklagten um fast zwei Jahre verzögert habe. Eine Klärung sei erst im März 2014 gerichtlich erfolgt.
Soweit die Kläger die Grundschuldbestellung über 46.000,00 EUR angesprochen hätten, handele es sich um ein Bauspardarlehen, welches nunmehr angespart werde und nur gegen Vorlage der Baurechnungen ausgezahlt worden sei. Das Haus sei ohne funktionierende Heizungsanlage und Stromkreislauf gewesen. Im ganzen Haus seien auf dem Boden Wasserschäden feststellbar gewesen. Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, dass sie mindestens 120.000,00 EUR investieren müsse, um das Haus überhaupt wieder bewohnbar zu machen.
In der mündlichen Verhandlung vor de...