Leitsatz (amtlich)
Bei der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens im Zwangsversteigerungsverfahren haben Baumängel nur Bedeutung für die Festsetzung des Verkehrswertes selbst; der Ersteigerer kann insoweit nicht auf die Vollständigkeit des Gutachtens vertrauen.
Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Urteil vom 28.02.2007; Aktenzeichen 4 O 230/06) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Neubrandenburg vom 28.2.2007 - Az.: 4 O 230/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 89.420,20 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nimmt die Beklagte wegen Verletzung ihrer Berufspflichten als Gutachterin in Anspruch. Die Beklagte war durch das AG Neubrandenburg mit der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens für ein Grundstück in der Burgstraße 1 in ..., das sich in der Zwangsversteigerung befand, beauftragt worden. Das Grundstück war mit einem Mehrfamilienhaus in Fachwerkbauweise bebaut. Die Beklagte schätzte den Verkehrswert in ihrem Gutachten vom 14.4.2004 auf 146.000 EUR; das Gericht setzte den Wert dementsprechend fest. Die Klägerin erhielt im Versteigerungstermin den Zuschlag auf ein Bargebot von 85.000 EUR.
Die Klägerin hat behauptet, der Verkehrswert sei zu hoch veranschlagt worden. Dieser habe allenfalls ca. 75.000 EUR betragen; die Beklagte habe Mängel, die ohne weiteres erkennbar gewesen seien, außer acht gelassen. Hinsichtlich der einzelnen Rügen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin hat weiter behauptet, sie hätte bei einem vollständigen Gutachten kein Gebot für das Grundstück abgegeben, da sie sich auf eine aufwendige Fachwerksanierung nicht eingelassen hätte.
Das LG hat die Klage - gerichtet auf Zahlung eines Teilbetrages von 6.000 EUR - abgewiesen. Ein Anspruch aus § 839a BGB sei nicht gegeben. Zwar sei davon auszugehen, dass der Verkehrswert in dem Gutachten tatsächlich wegen nicht berücksichtigter Mängel in erheblichem Umfang zu hoch festgestellt worden sei und es sich insoweit auch um ein objektiv unrichtiges Gutachten handele; gleichwohl könne nicht festgestellt werden, dass die Unrichtigkeit auf einem Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Beklagten beruhe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Verkehrswert für das Zwangsversteigerungsverfahren nur annähernd zu ermitteln sei; ob er sich realisieren lasse, müsse das weitere Verfahren zeigen. Nach der Rechtsprechung würden Toleranzen zwischen 20 bis 30 % akzeptiert. Die Sachverständige habe den Ertragswert zutreffend ermittelt, bei der Sachwertermittlung sei sie - zulässigerweise - von einer pauschalierenden Betrachtung ausgegangen, was sie auch durch die Vorbemerkung zur Gebäudebeschreibung in ihrem Gutachten hinreichend zu erkennen gegeben habe. Dementsprechend könne dahinstehen, ob die Klägerin überhaupt einen isolierten Zahlungsanspruch geltend machen könne, wenn sie zum Ausdruck bringe, an dem Grundstück überhaupt nicht mehr interessiert zu sein. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, die form- und fristgerecht eingereicht und begründet worden ist.
Sie meint, das LG habe zu Unrecht den Vorwurf grober Fahrlässigkeit verneint. Sie behauptet, die Schädigung des ca. 150 Jahre alten Gebäudes im Fachwerk durch Braunfäule und Holzschädlinge sowie die unsachgemäße Sanierung seien deutlich erkennbar gewesen. Dies hätte der Beklagten ins Auge fallen müssen; derartige Schäden stellten auch unter Berücksichtigung der enormen Tragweite der Schäden für einen daraus resultierenden Sanierungsaufwand offenkundig einen den Wert erheblich beeinflussenden Faktor dar, zumal die Beklage andere Schäden sehr kleinteilig aufgeführt habe. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Freizeichnungsklausel im Gutachten beziehen, da es sich um offensichtliche Mängel gehandelt habe; auch beruhe der geltend gemachte Schaden nicht auf einem Befall durch Schädlinge, sondern auf den durch einen Schädlingsbefall zurückzuführenden Schaden in Form von Holzfraß. Schließlich habe das LG das Ergebnis des parallel angestrengten selbständigen Beweisverfahrens nicht abgewartet.
In der Berufungsinstanz begehrt die Klägerin die Abwicklung des Rechtsverhältnisses. Sie behauptet im Hinblick auf den Feststellungsantrag, ihr seien Aufwendungen für Instandsetzungsarbeiten entstanden und würden auch weiterhin entstehen, ferner müsse sie auf ein zur Finanzierung des Mindestgebotes aufgenommenes Darlehen Zinsen zahlen. Eine Schadensermittlung unter Berücksichtigung der Mieteinnahmen könne erst nach Ü...