Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwegerecht bei einem in einer privaten Ringstraße gefangenen Reihenhaus

 

Leitsatz (amtlich)

1. Befindet sich eine Reihenhausanlage im Inneren einer privaten Ringstraße, hat der Eigentümer eines Reihenhauses Anspruch auf ein Notwegerecht an dem Schenkel der Ringstraße, über welches er auf kürzesten Weg seinen Hauseingang erreichen kann.

2. Der Eigentümer eines solchen Reihenhauses muss sich nicht darauf verweisen lassen, den anderen Schenkel der Ringstraße bis zu seinem Grundstück zu nutzen und sodann sein Haus durch den Garten, über die Terrasse und durch das Wohnzimmer zu betreten.

 

Verfahrensgang

LG Rostock (Aktenzeichen 3 O 578/19)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Rostock vom 06.01.2021 - 3 O 578/19 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. a) Den Beklagten wird es untersagt, das in der Flur 1 der Gemarkung E. liegende Wegeflurstück 4/85, das in Höhe des Flurstücks 4/75 von dem in nördlicher Richtung verlaufenden S.-weg abzweigt, über den direkten Weg vom Flurstück 4/75 zu ihrem Flurstück 4/35 hinaus weitergehend zu nutzen, mit Ausnahme nachbarschaftlicher Besuche.

b) Den Beklagten angedroht, dass für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter Ziff. 1. a) bezeichnete Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festgesetzt wird.

c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 73 % und die Beklagten je 13,5 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.375,20 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Eigentümer des ehemaligen Flurstücks 4/81 in E. Das Flurstück ist eine gepflasterte Verkehrsfläche, die als schmale u-förmige Ringstraße angelegt ist und an ihren beiden östlichen Enden an die öffentliche Straße S.-weg in E., die in Nord-Süd-Richtung verläuft, anschließt. Zwischenzeitlich ist das Flurstück 4/81 in die Flurstücke 4/84 (nördlicher Schenkel der Ringstraße), 4/85 (südlicher Schenkel der Ringstraße) und 4/86 (westlicher Scheitel, gleichzeitig Umfahrung des klägerischen Grundstücks) geteilt worden.

Der Kläger ist ferner Eigentümer des bebauten Flurstücks 4/32, das am westlichen Scheitelpunkt innerhalb der Ringstraße liegt.

Die Beklagten sind Eigentümer des Flurstücks 4/35 und bewohnen das darauf gelegene Reihenhaus mit der postalischen Anschrift Strandstraße 13. Eingang und Stellplätze liegen nördlich am Flurstück 4/84, d.h. am nördlichen Teil der Ringstraße. Garten und Terrasse liegen im Süden und grenzen an das Flurstück 4/85, d.h. den südlichen Teil der Ringstraße.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagten könnten lediglich ein Notwegerecht auf dem Flurstück 4/85 bis zu ihrem Grundstück beanspruchen, und zwar gegen Zahlung einer Notwegerente. Es genüge, wenn diese ihr Grundstück erreichen könnten.

Die Beklagten haben sich auf Gewohnheitsrecht berufen und im Übrigen die Ansicht vertreten, es sei ihnen nicht zuzumuten, ihr Haus über den Garten, die Terrasse und durch das Wohnzimmer zu betreten.

Mit Urteil vom 06.01.2021 hat das Landgericht Rostock die Klage abgewiesen. Wegen der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen, der Entscheidungsgründe sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, gegenüber dem auf das entgeltliche Notwegerecht beschränkten Umfang der Nutzung des Flurstücks 4/85 lasse sich auch aus §§ 826, 852 BGB kein darüber hinausgehender Anspruch auf eine dauerhafte und unentgeltliche Nutzung der gesamten Wegefläche herleiten. Abgesehen davon, dass die Beklagten zu keinem Zeitpunkt einen vermeintlichen Schadensersatzanspruch geltend gemacht hätten, stehe entgegen der Auffassung des Landgerichtes den Beklagten gegenüber der O. GmbH keine schuldrechtliche Position in Gestalt eines dauerhaften schuldrechtlichen Anspruchs auf Nutzung der gesamten Erschließungsanlagen einschließlich der Duldung des Begehens und des Befahrens der Zuwegung zu, die über § 826 BGB geschützt werden könnte.

Der zwischen den Beklagten und der O. GmbH geschlossene Kaufvertrag über das Reihenhausgrundstück habe unstreitig keinerlei wie auch immer gearteten Nutzungsrechte an der Wegefläche des ehemaligen Flurstücks 4/81 vorgesehen. Dass die dingliche Absicherung der Nutzung der gesamten Wegefläche des ehemaligen Flurstücks 4/81 durch die Beklagten versehentlich unterblieben sein solle, sei nach dem Schreiben des Amtes Warnow-West vom 08.11.2012 ebenfalls ausgeschlossen.

Die in Ermangelung entsprechender Vereinbarungen vom Landgericht gewählte Konstruktion eines aus der Verkehrsanschauung und den örtlichen Gegebenheiten folgenden dauerhaften schuldrechtlichen Duldungsanspruches an der gesamten Wegefläche des ehemaligen Flurstücks 4/81 würde im ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge