Leitsatz (amtlich)
a. Bestreitet der Versicherungsnehmer (ausdrücklich) nicht die materielle Wirksamkeit einer Beitragsanpassung in seiner privaten Krankenversicherung, ist einer von ihm monierten Unvollständigkeit dem Treuhänder von dem Versicherer vorgelegter Unterlagen nicht nachzugehen.
b. Im Hinblick auf die Rückerstattung von Beitragsanteilen aus unwirksamen Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung kann der Versicherungsnehmer im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO vorgehen, wenn er sich für die Unwirksamkeit der Beitragsänderungen auf eine Unzulänglichkeit ihrer Begründung in von ihm in Bezug genommen entsprechenden Anschreiben und Informationsblättern des Versicherers stützt (Anschluss an OLG Schleswig, Urteil vom 18.07.2022, Az.: 16 U 181/21, - zitiert nach juris -, Rn. 65 ff.).
c. Der Versicherungsnehmer hat einen Anspruch gegen den Versicherer darauf, dass er ihm Kopien des Versicherungsscheins und seiner Nachträge für zurückliegende Jahre zur Verfügung stellt (jedenfalls) aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 DS-GVO (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 04.05.2023, Az.: C-487/21, - zitiert nach juris -, Rn. 30 ff.).
Normenkette
EUV 2016/679 Art. 15 Abs. 1, 3; VVG § 203 Abs. 5; ZPO § 254
Verfahrensgang
LG Stralsund (Urteil vom 28.11.2022; Aktenzeichen 6 O 108/22) |
Tenor
I. Die Berufung wird als unzulässig verworfen, soweit sie eine Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache erstrebt hinsichtlich ihres ursprünglichen Antrages, die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer ... seit dem 01.01.2020.
II. Die Berufung wird zurückgewiesen, soweit das Landgericht die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit von Beitragsanpassungen in dem Tarif YYY zum 01.01.2020, zum 01.01.2021 und zum 01.01.2022, auf Zahlung sich daraus ergebender Rückerstattungsbeträge sowie auf Feststellung insoweit herauszugebender Nutzungen und deren Verzinsung abgewiesen hat.
III. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 28.11.2022 insoweit abgeändert, als die Stufenklage abgewiesen worden ist, und im Wege des Teilurteils wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018 zu der Versicherungsnummer ... vorgenommen hat bezogen auf die jeweilige Höhe der Beitragsanpassungen unter Benennung der jeweiligen Tarife in dem Versicherungsverhältnis, und der Klägerin hierzu die Versicherungsscheine und Nachträge zum Versicherungsschein der Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 herauszugeben.
IV. Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Stralsund zurückverwiesen.
V. Dieses Urteil und - im Umfang seiner Aufrechterhaltung - das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI. Die Revision wird beschränkt auf den unter Ziffer III) ausgeurteilten Auskunftsanspruch zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 16.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten - teilweise im Rahmen einer Stufenklage - über die Wirksamkeit von Prämienanpassungen zu einer privaten Krankenversicherung sowie sich daraus ergebende Ansprüche auf Rückerstattung und Herausgabe von Nutzungen.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Versicherungsunternehmen, bei welchem für die Klägerin seit dem 01.05.1996 unter anderem in dem Tarif YYY eine Versicherung der eingangs genannten Art in Verbindung mit einer privaten Pflegeversicherung besteht. In den Versicherungsvertrag sind die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten und Krankenhaustagegeldversicherung (Teil I - Musterbedingungen 2009 (MB/KK 2009) - §§ 1 - 20)" der Beklagten einbezogen, die unter anderem die folgenden hier relevanten Regelungen enthalten:
"(...)
§ 8b Beitragsanpassung
(1) Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit bei den Versicherungsleistungen für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundert...