Leitsatz (amtlich)
Ein Sachverständiger ist nicht stets als befangen anzusehen, wenn er nach persönlichen Angriffen auf seine Kompetenz das Prozessverhalten der Versicherer allgemein mit negativer Wertung anspricht.
Normenkette
ZPO § 406 Abs. 1 S. 1, § 42 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 07.03.2013; Aktenzeichen 18 O 556/11) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Stuttgart vom 7.3.2013 (18 O 556/11) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Berechtigt ist der Beschwerdeangriff der Beklagten, das LG habe ihr Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Priv.-Doz. Dr ... zu Unrecht wegen Verfristung für unzulässig erachtet. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, nimmt der Senat auf die zutreffenden diesbezüglichen Erwägungen der Beklagten in der Beschwerdeschrift vom 26.3.2013 Bezug und macht sich diese zu eigen.
2. Das Ablehnungsgesuch der Beklagten ist somit zwar zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.
2.1 Maßstab für die Beurteilung des hier allein in Betracht zu ziehenden Ablehnungsgrundes der Besorgnis der Befangenheit ist eine vernünftig und ruhig denkende Partei. Aus diesem Horizont sind Befangenheitsgründe in der Person des abgelehnten Sachverständigen nicht ersichtlich.
2.2 Die geltend gemachten Befangenheitsgründe lassen sich in zwei unterschiedliche Komplexe gliedern: zum einen die fachlichen Ausführungen des Sachverständigen in seiner (zweiten) ergänzenden Stellungnahme vom 15.1.2013, in denen er sich mit der Kritik der Beklagten in deren Schriftsatz vom 21.12.2012 auseinandersetzt, zum anderen seine "grundsätzlichen Gedanken zu Rechtsstreitigkeiten bei Berufsunfähigkeitsversicherungsansprüchen".
3. Die Ausführungen zum erstgenannten Komplex sind schon im Grundsatz nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Dabei mag die Beklagte die inhaltliche Richtigkeit der Ausführungen des Sachverständigen bezweifeln; eine Befangenheitsbesorgnis vermögen sie nicht auszulösen. Die Ausführungen des Sachverständigen bewegen sich allesamt auf einer sachlichen Ebene, die die fachliche Auseinandersetzung mit der Kritik der Beklagten an seinen vorausgegangenen Stellungnahmen betreffen.
3.1 Dies gilt auch, soweit er auf S. 3 dieser ergänzenden Stellungnahme darlegt, dass er es für "unangemessen" halte, eine "histologisch gesicherte Erkrankung einhergehend mit Diarrhoen anzuzweifeln".
3.1.1 Der Sachverständige benennt zugleich die Umstände, weshalb er aus medizinischer Sicht diese Angaben für glaubwürdig erachtet. Was den diesbezüglichen Vorhalt der Beklagte anlangt, der Sachverständige habe die nach ihrem Dafürhalten hierfür erforderlichen Untersuchungen nicht durchgeführt, verkennt die Beklagte die Befugnisse, die dem Sachverständigen zur Erfüllung der ihm gestellten Aufgabe eingeräumt sind: Der Sachverständige hat nach eigenem Ermessen und in eigener Verantwortung die Methoden zu wählen, die ihm vor dem Hintergrund seiner Fachkenntnisse, aber auch seines Erfahrungswissens geeignet und erforderlich erscheinen, um die ihm gestellte Beweisfrage zu beantworten. Bereits in seiner ersten ergänzenden Stellungnahme hat der Sachverständige zum Ausdruck gebracht, dass er keine weiteren Untersuchungen und Testverfahren für erforderlich halte, um sein gewonnenes Ergebnis zu validieren. Er hat damit sein Ergebnis gegen die erhobene Kritik auf einer sachlichen und fachlichen Ebene verteidigt.
3.1.2 Die Wiederholung der bereits in der ersten ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen zurückgewiesenen Angriffe, ohne neue, vom Sachverständigen bislang noch nicht angesprochene Gesichtspunkte zu benennen, ist ersichtlich von dem Ansinnen der Beklagten getragen, den Sachverständigen zum Abrücken von seiner bisherigen Beurteilung und zur Durchführung der von der Beklagten für erforderlich gehaltenen Untersuchungen zu veranlassen. Flankiert werden diese wiederholten Angriffe mit formal nicht zu beanstandeten Formulierungen, die jedoch auf der beigelegten Meta-Ebene nichts anderes transportieren als den Vorwurf mangelnder Kompetenz, Nichteinhaltung scheinbar selbstverständlicher Standards und/oder unzureichender Sorgfalt bei der Gutachtenerstellung. Beispielhaft sollen Formulierungen wie "... wird den geforderten Anforderungen ... nicht gerecht" (S. 3 unten des Beklagten-Schriftsatzes vom 21.12.2012), "... trifft keine nachvollziehbaren Feststellungen ..." (S. 4 oben), "... eine nachvollziehbare Begründung hierfür lässt sich dem Gutachten ... nicht entnehmen" (S. 4 Mitte), "Der Gutachter ... lässt die Instrumente und Kriterien der ICF ... außen vor" (S. 4 Mitte), "... Leitlinien, welche ... in dem Ergänzungsgutachten keinen Anklang finden." (S. 4 unten), "Der Gutachter beharrt darauf ..." (S. 4 unten). Die Liste solcher Formulierungen, die nichts anderes als den Vorwurf mangelnder fachlicher Befähigung und Sorgfalt des Sachverständigen vermitteln, ließe sich e...