Leitsatz (amtlich)
Die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch und die danach erfolgte Verwerfung seiner Berufung gemäß § 329 Abs. 1 StPO führen nicht gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 HS 2 StPO zur Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Nebenklägers gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Berufungsgerichts.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 21.07.2011; Aktenzeichen 35 Ns 81 Js 84149/10) |
AG Nürtingen (Aktenzeichen 12 Ds 81 Js 84149/10) |
Tenor
1.
Dem Nebenkläger wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Juli 2011
2.
Auf die sofortige Beschwerde des Nebenklägers wird die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 21. Juli 2011 dahingehend
dass der Angeklagte (auch) die dem Nebenkläger im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.
3.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die dem Nebenkläger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte.
Gründe
I.
wurde durch Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 07. März 2011 wegen zum Nachteil des Nebenklägers begangener gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zugleich wurden ihm die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Nebenklägers, dessen Nebenklage mit Beschluss vom 26. Oktober 2010 zugelassen worden war, auferlegt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten wurde durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Juli 2011 wegen unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten gem. § 329 Abs. 1 StPO auf dessen Kosten verworfen. Eine Entscheidung über die Auferlegung der notwendigen Auslagen des Nebenklägers, dessen Vertreter an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, ist unterblieben.
Hiergegen richtet sich der Nebenkläger mit der sofortigen Beschwerde.
II.
1.
Dem Beschwerdeführer ist gem. §§ 44, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO wegen Versäumung der Frist des § 311 Abs. 2 StPO zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO gegen die unvollständige Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Stuttgart von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zwar ist mit der Urteilsverkündung in Gegenwart des Nebenklägervertreters diesem die unterlassene Auferlegung der dem Nebenkläger im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen auf den Angeklagten bekanntgemacht worden (vgl. § 35 Abs. 1 StPO), so dass die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde an sich eine Woche danach abgelaufen war (§ 311 Abs. 2 StPO). Auch muss sich ein Verfahrensbeteiligter wie z. B. ein Nebenkläger, der sich nicht gegen einen Schuldvorwurf zu verteidigen hat, ein Verschulden seines Vertreters zurechnen lassen (Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 44 Rn 19 m. w. N.). Da jedoch die Belehrung des Nebenklägers und seines Vertreters über das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts unterblieben war, war er ohne sein Verschulden (vgl. § 44 Satz 2 StPO) daran gehindert, die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde einzuhalten. Die fehlende Rechtsmittelbelehrung ergibt sich aus dem Protokoll des Landgerichts.
2.
Die sofortige Beschwerde des Nebenklägers gegen die im Berufungsurteil unterlassene Auferlegung seiner notwendigen Auslagen auf den Angeklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2006, 95 - 96 unter Aufgabe seiner vorangegangenen Rechtsprechung u. a. in NStZ-RR 2001, 288; LR-Hilger, StPO, 26. Auflage, § 464 Rn 57). Ihr steht die Vorschrift des § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO nicht entgegen. Danach ist die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Kosten und Auslagen unzulässig, wenn eine Anfechtung der in § 464 Abs. 1 StPO genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Dies wird nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, dahin verstanden, dass die Kostenbeschwerde unzulässig ist, wenn sich die Unstatthaftigkeit eines Rechtsmittels bereits aus der Art der Entscheidung ergibt oder ein bestimmter Prozessbeteiligter grundsätzlich - unabhängig von der Frage der Beschwer im Einzelfall - nicht mehr rechtsmittelbefugt sein soll (BayObLGSt 1987, 151-154). Für den Nebenkläger ist die Revision ein statthaftes Rechtsmittel. Die Anfechtbarkeit des Urteils des Landgerichts ergibt sich aus § 333 StPO. Auch ist ein Nebenkläger im Gegensatz z. B. zu einem Rechtsmittelführer im Fall des § 55 Abs. 2 JGG grundsätzlich zur Einlegung eines Rechtsmittels befugt.
Die lediglich beschränkte Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers gem. § 400 Abs. 1 StPO beruht demgegenüber auf dessen fehlender Beschwer im Einzelfall, insbesondere dann, wenn er die Anfechtung allein mi...