Leitsatz (amtlich)
Für die Ertragswertermittlung kann der unternehmenseigene Betafaktor dann nicht herangezogen werden, wenn die Aktionäre durch die in einem Gewinnabführungsvertrag vorgesehene Garantiedividende nur noch sehr eingeschränkt an Verlusten oder Ertragseinbrüchen des Unternehmens teilnahmen und - anders als im Falle eines isolierten Beherrschungsvertrages - auch nicht an der Steigerung der künftigen Erträge partizipieren konnten, da das ausgeschüttete Ergebnis wegen des Gewinnabführungsvertrages ausnahmslos an das herrschende Unternehmen floss.
Normenkette
AktG §§ 327a, 327b, 327f
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 21.09.2009; Aktenzeichen 32 AktE 24/05) |
Tenor
1. Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 5, 6, 10, 11, 19, 20 und 22 gegen den Beschluss der 32. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 21.9.2009 (32 AktE 24/05 KfH) werden zurückgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsgegnerin 6/7 und der Antragsteller zu 5 1/7; die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. In dem diesem Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Spruchverfahren begehren die Antragsteller die gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Abfindung für die Minderheitsaktionäre der X P. AG (im Folgenden: X AG) nach § 327f Satz 2 AktG.
I.1. Die X AG ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in L., die als Holdinggesellschaft eine Gruppe in- und ausländischer Beteiligungsgesellschaften leitet, welche unter der Bezeichnung "X" auf dem Gebiet der Parkraumbewirtschaftung, der Betreuung von Immobilien und der Erbringung von auf Verkehrssteuerung bezogenen Dienstleistungen tätig sind (LGB 5).
Die Antragsteller waren bis zur Übertragung ihrer Aktien auf die Antragsgegnerin Minderheitsaktionäre der X AG.
Das Grundkapital der X AG beträgt 5.121.736,04 EUR und ist eingeteilt in 2.003.449 auf den Inhaber lautende Stückaktien (LGB 6). Die Aktien waren im geregelten Markt an den Wertpapierbörsen in Frankfurt/M., Düsseldorf und Stuttgart notiert (LGB 5). Im Jahr 2000 hatte die S AG mehrere Aktienpakete an der X AG erworben und mit der Gesellschaft im Jahr 2001 einen Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Am 28.5.2004 hatte dann die Antragsgegnerin - eine Beteiligungsgesellschaft der I-Gruppe - von der S AG 98,26 % der Aktien der X AG erworben, woraufhin der Gewinnabführungsvertrag mit der S AG gekündigt worden war (LGB 5). In der Folgezeit hatte die Antragsgegnerin ihren Aktienanteil an der X AG auf 1.981.902 Aktien - d.h. ca. 98,92 % - erhöht, welche sie auch zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen außerordentlichen Hauptversammlung vom 13.12.2004 hielt (LGB 5 f.). Im Streubesitz der Minderheitsaktionäre befanden sich noch 21.547 Aktien (vgl. LGB 6).
Mit Schreiben vom 22.7.2004 hatte die Antragsgegnerin die A GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: A) beauftragt, den Unternehmenswert der X AG zu ermitteln. Bewertungsanlass war der geplante Ausschluss der Minderheitsaktionäre der X AG gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung gem. § 327a Abs. 1 AktG. Nachdem die A ihre Bewertungsarbeiten von Juli bis Oktober 2004 durchgeführt hatte, hatte sie unter dem 26.10.2004 eine gutachtliche Stellungnahme (im Folgenden: A-Gutachten; Ziff. II. des Anlagenkonvoluts Ag 4) vorgelegt.
In dieser veranschlagt sie - unter Zugrundelegung der Vorgaben der vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (im Folgenden: IDW) aufgestellten Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1) in der Fassung vom 28.6.2000 (im Folgenden: IDW S1 2000) - den Unternehmenswert der X AG zum 13.12.2004 im Ertragswertverfahren auf 228.962.000 EUR (vgl. S. 63 des A-Gutachtens). Bezogen auf 2.003.449 Stückaktien entspreche dies einem Wert von 114,28 EUR je Aktie (S. 66 des A-Gutachtens). Da der durchschnittliche, gewichtete Börsenkurs im Dreimonatszeitraum vor der Bekanntmachung des Pflichtangebots der Antragsgegnerin gem. § 35 WpÜG - d.h. im Zeitraum vom 7.5.2004 bis 6.8.2004 - mit 139,70 EUR je Aktie diesen Ertragswert übersteige, sei den Minderheitsaktionären als Barabfindung nach § 327b AktG ein Betrag von 139,70 EUR je Aktie anzubieten (S. 63 ff. des A-Gutachtens). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das A-Gutachten verwiesen.
Die Unternehmensbewertung der A vom 26.10.2004 fand Eingang in den Gemeinsamen Bericht des Vorstands der X AG und der Geschäftsführung der Antragsgegnerin vom 26.10.2004 (hier: S. 23 f.; Ziff. II. des Anlagenkonvoluts Ag 4) wie auch in den Entwurf des Übertragungsbeschlusses (Ziff. I. des Anlagenkonvoluts Ag 4), welcher wie folgt lautete:
"Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der X P. AG werden gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären (§§ 327a ff. AktG) gegen Gewährung einer Barabfindung i.H.v. EUR 140 für je eine Stückaktie der X P. AG auf die P. H. GmbH in M ... als Haupta...