Leitsatz (amtlich)
Zur Mitbestimmungspflicht der als GmbH organisierten, selbst arbeitnehmerlosen Konzernspitze, die sämtliche Stimmrechte der Gesellschafter des mitbestimmungspflichtigen Betriebsunternehmens ausübt.
Normenkette
MitbestG §§ 1, 5
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 29.11.1988; Aktenzeichen 2 AktE 1/88) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landgerichts Stuttgart (2. Zivilkammer) vom 29.11.1988 wird zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 100.000,– DM.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusverfahrens nach §§ 98, 99 AktG darüber, ob bei der Antragsgegnerin, die selbst keine Arbeitnehmer beschäftigt, sondern sich auf die Verwaltung ihrer Stimmrechte an der mitbestimmungspflichtigen M. GmbH beschränkt, ein Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) zu bilden ist.
Die M. GmbH (im folgenden: M-GmbH) ist ein Unternehmen der Metallindustrie mit einem Stammkapital von 121,8 Mio. DM und über 7.000 Arbeitnehmern; in mehreren Tochtergesellschaften im In- und Ausland werden weitere ca. 7.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Bei der M-GmbH besteht ein nach dem Mitbestimmungsgesetz gewählter Aufsichtsrat, der sich aus 6 Vertretern der Anteilseigner und 6 Arbeitnehmer-Vertretern zusammensetzt.
Gesellschafter der M-GmbH sind die Antragsgegnerin und die M.-Stiftung GmbH (im folgenden: Stiftung). Die Stiftung hält 99,914 % der Gesellschaftsanteile der M-GmbH ohne Stimmrecht. Das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der M-GmbH liegt zu 100 % bei der Antragsgegnerin, die 0,086 % der Gesellschaftsanteile hält. Ihre 6 Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von je 10.000,– DM sind identisch mit den 6 Anteilseigner-Vertretern im Aufsichtsrat der M-GmbH.
Hinsichtlich des Zwecks der Antragsgegnerin bestimmt § 3 ihrer Satzung:
„Gegenstand des Unternehmens ist das Halten einer mit Stimmenmehrheit ausgestatteten Beteiligung an der Fa. M. Gesellschaft mit beschränkter Haftung, …, und die Fortführung dieses Unternehmens im Sinne seiner Gründer und zum Nutzen der M.-Stiftung sowie die Beteiligung an anderen Gesellschaften. Die Gesellschaft darf alle Geschäfte vornehmen, die der Erfüllung dieser Aufgabe dienen”.
Wegen der weiteren einschlägigen Satzungsbestimmungen der Antragsgegnerin, der Stiftung und der M-GmbH wird auf den Tatbestand des Landgerichts Bezug genommen.
Die Antragsteller sind der Ansicht, daß die Antragsgegnerin als Konzernspitze nach § 5 Abs. 1 S. 1 MitbestG mitbestimmungspflichtig sei, weil tatsächlich in ihr die für den M-Konzern maßgeblichen unternehmensleitenden Entscheidungen gefällt würden, so daß die Mitbestimmung durch den Aufsichtsrat der M-GmbH ineffektiv sei. Dagegen ist die Antragsgegnerin der Ansicht, sie übe in Fortführung des Willens der Gründer und Stifter nur ihre Gesellschafterrechte an der M-GmbH in der vom GmbHG vorgesehenen Weise aus und handele nur als Beauftragte bzw. Vertreterin der Stiftung, die ihrerseits ausschließlich karitative Zwecke verfolge, weshalb für die Antragsgegnerin eine Mitbestimmungspflicht schon nach § 1 Abs. 4 MitbestG entfalle. Außerdem fehle es an einem Konzern.
Auf Antrag der Antragsteller hat das Landgericht durch Beschluß vom 29.11.1988 festgestellt, daß bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zu bilden ist.
Gegen diese Entscheidung, die der Antragsgegnerin am 16.12.1988 zugestellt und am 4.1.1989 im Bundesanzeiger und Staatsanzeiger BW veröffentlicht wurde, legte die Antragsgegnerin am 18.1.1989 durch Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, die Entscheidung des Landgerichts abzuändern und den Feststellungsantrag abzuweisen. Auf das Vorbringen der Beteiligten wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist gem. § 6 Abs. 2 MitbestG, § 99 Abs. 3, 4 AktG zulässig, aber nicht begründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Gesetzesverletzung beruht.
Das Landgericht hat unter rechtsfehlerfreier Anwendung der einschlägigen Vorschriften, insbesondere der §§ 1, 5, 6 MitbestG zu Recht festgestellt, daß bei der Antragsgegnerin als Konzernspitze im mitbestimmungsrechtlichen Sinne ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden ist. Der Senat folgt der sorgfältigen und zutreffenden Begründung des Landgerichts in vollem Umfang, weshalb auf diese verwiesen werden kann. Die umfangreichen Angriffe der Antragsgegnerin vermögen den Senat in keinem Punkt zu überzeugen.
1. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Mitbestimmungspflicht der Antragsgegnerin nicht durch § 1 Abs. 4 MitbestG ausgeschlossen ist, weil sie karitativen, erzieherischen und wissenschaftlichen Bestimmungen allenfalls mittelbar, nicht aber unmittelbar und überwiegend dient. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin hat das Landgericht den Begriff der U...