Leitsatz (amtlich)
1. Die Vererblichkeit des Anwartschaftsrechts des Nacherben oder Ersatznacherben geht der Anwachsung vor.
2. Stirbt vor dem Nacherbfall zunächst der Ersatznacherbe und dann der Hauptnacherbe, so vererbt sich das Anwartschaftsrecht des Hauptnacherben, nicht das des Ersatznacherben.
3. Stirbt der Erblasser vor Inkrafttreten des Adoptionsgesetzes, der Nacherbe aber erst danach, so gehört auch ein Adoptivenkel des Nacherben zu den erbberechtigten Verwandten, auf welche die Anwartschaft des Nacherben übergeht, und damit bei Eintritt des Nacherbfalles zu den Erben des Erblassers.
Normenkette
BGB §§ 2108, 1754; Adoptionsgesetz Art. 12 § 2 Abs. 2, § 1 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 02.03.1993; Aktenzeichen 2 T 53/93) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten 2 wird der Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 02.03.1993 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses hat auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden.
Gründe
Durch gemeinschaftliches Testament vom 17.01.1967 hat der Erblasser seine Ehefrau zur Vorerbin und auf deren Tod seine Nichten H. L. und E. S. zu Nacherben berufen. Für den Fall, daß diese vor Eintritt des Nacherbfalls wegfallen, sollen an die Stelle der Frau L. ihre Tochter K. Z. (die Beteiligte 3), an die Stelle der Frau S. ihre Kinder R. S. (der Beteiligte 1) und A. B. zu gleichen Teilen treten. Außerdem wurde Testamentsvollstreckung angeordnet und die Auseinandersetzung des Nachlasses im Grundsatz für 30 Jahre ausgeschlossen.
Der Erblasser ist am 12.04.1967, die Vorerbin am 05.04.1992 verstorben. Die beiden zu Nacherben eingesetzten Nichten sind vor dem Nacherbfall verstorben, E. S. am 10.11.1982, H. L. am 11.10.1991. Noch vor ihrer Mutter E. S., nämlich 1976, ist die Großnichte des Erblassers A. B. gestorben. Sie hat ihren Ehemann G. B. (den Beteiligten 2) hinterlassen, der ihr alleiniger Erbe (Vorerbe) geworden ist, und die 1971 geborene und 1973 an Kindes Statt angenommene Tochter T. B.
Der Beteiligte 1 R. S. hat die Erteilung eines Teilerbscheins beantragt, der ihn als Miterben zur Hälfte des Nachlasses (neben der Beteiligten 3) ausweist. Der Beteiligte 2 G. B. ist diesem Antrag entgegengetreten. Er macht geltend, daß er anstelle seiner Ehefrau Nacherbe geworden sei.
Das Nachlaßgericht hat … angekündigt, daß es dem Antrag des Beteiligten 1 stattgeben werde.
Die Beschwerde des Beteiligten 2 gegen diesen Vorbescheid hat das Landgericht … zurückgewiesen.
Dagegen hat der Beteiligte 2 weitere Beschwerde eingelegt. Diese ist zulässig und begründet (§§ 27, 29 FGG, 550 ff. ZPO).
Das Landgericht hat die Erstbeschwerde des Beteiligten 2 als zulässig angesehen, das ist richtig, weil er, falls sein Rechtsmittel begründet ist, jedenfalls auch als Erbe in Betracht kommt.
In der Sache hat es der Beschwerde den Erfolg versagt. Nach seiner Meinung ist der Anteil der vorverstorbenen Großnichte A. B. gemäß § 2094 BGB ihrem Bruder. R. S. dem Beteiligten 1, angewachsen. Es hat dazu dargelegt, daß Anhaltspunkte für einen Ausschluß der Anwachsung durch den Erblasser weder vorgetragen, noch ersichtlich seien. Im Gegenteil spreche die ausdrückliche Bestimmung von Ersatzerben durch die testierenden Ehegatten dafür, daß sie, hätten sie den Wegfall eines Ersatzerben bedacht, ebenfalls bestimmt hätten, der Nachlaß bleibe auch dann in den Händen der im Testament ausdrücklich benannten Personen. Jedenfalls aber könne nicht als feststehend angenommen werden, der Erblasser habe nicht den gesetzlichen Regelfall der Anwachsung des Anteils eines weggefallenen Bedachten zugunsten noch vorhandener Bedachter gewollt, sondern Vererblichkeit dieses Anteils zugunsten der Erben des weggefallenen. Wenn aber die Rechtsposition der Ersatznacherbin A. B. dem als Ersatznacherben mitberufenen Beteiligten 1 angewachsen sei, komme es auf die Streitfrage, ob ein Ersatznacherbe überhaupt eine vererbliche Rechtsposition erlangt habe, nicht an.
Diese Beurteilung beruht, wie die weitere Beschwerde zu Recht rügt, auf einer Gesetzesverletzung.
Die Vererblichkeit des Anwartschaftsrechts des zwischen Erbfall und Nacherbfall verstorbenen Nacherben (§ 2108 Abs. 2 S. 1 BGB) geht der Anwachsung (§ 2094 BGB) vor. Das ist, soweit ersichtlich, einhellige Meinung (vgl. u. a. RGRK, 12. Aufl., RN 12, und Staudinger, 12. Aufl., RN 20, je zu § 2108 BGB, m.w.H.). In Betracht kommt dabei nicht nur die Vererbung des Anwartschaftsrechts des zunächst berufenen Nacherben. Vererblich ist nach überwiegender Meinung auch das Anwartschaftsrecht bzw. die Anwartschaft eines Ersatznacherben (KGJ 42 A 104, Münchkomm, 2. Aufl., RN 9 zu § 2102 BGB, Palandt, 53. Aufl., RN 2, RGRK, RN 14, Soergel, 12. Aufl., RN 10, Staudinger, RN 6, je zu § 2108 BGB, a.M. Schmidt, BWNotZ 1966, 142, Becher, NJW 1969, 1463).
Das Landgericht hätte sich deshalb nicht damit begnügen dürfen, festzustellen, daß die Vermutung des § 2094 BGB nicht widerlegt sei, sondern die Anwachsung wa...