Leitsatz (amtlich)

Erwirbt ein Beteiligter entgegen § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Insiderpapiere, unterliegt der dadurch erzielte Sondervorteil, nicht jedoch der gesamte Wert der erworbenen Papiere gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB dem Wertersatzverfall.

 

Normenkette

WpHG § 14 Abs. 1 Nr. 1; StGB § 73 Abs. 1 S. 1; WpHG § 38 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Entscheidung vom 14.07.2015; Aktenzeichen 10 Qs 3/15)

AG Stuttgart (Entscheidung vom 07.04.2015; Aktenzeichen 29 Gs 3271/15)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beschuldigten wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 14. Juli 2015

aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Beschuldigten wird der Arrestbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 7. April 2015 dahin

abgeändert,

dass der dingliche Arrest in das Vermögen der Beschuldigten lediglich in Höhe von 24.380,85 € angeordnet wird; durch die Hinterlegung eines Geldbetrages von 24.380,85 € wird die Vollziehung des Arrestes gehemmt und die Beschuldigte berechtigt, die Aufhebung des vollzogenen Arrestes zu beantragen. Der weitergehende Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart wird zurückgewiesen.

Im Übrigen werden die Beschwerde und die weitere Beschwerde der Beschuldigten als unbegründet

verworfen.

Die Beschuldigte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens über die weitere Beschwerde zu tragen. Jedoch werden die Gebühren für die Beschwerdeverfahren auf ein Viertel ermäßigt. Der Beschuldigten sind drei Viertel ihrer notwendigen Auslagen für die Beschwerdeverfahren aus der Staatskasse zu erstatten.

 

Gründe

I.

Am 10. und am 11. September 2013 erwarb die Beschuldigte insgesamt 210.000 Aktien der Singulus Technologies AG (im Folgenden Singulus AG), die an den Börsen in Frankfurt am Main und Berlin sowie im elektronischen Handelssystem Xetra im regulierten Markt gehandelt werden. Die Singulus AG stellt unter anderem Produktionsanlagen für Solarzellen her. Am 12. September 2013 um 16:18 Uhr veröffentlichte die Singulus AG eine Ad-Hoc-Mitteilung, wonach sie an diesem Tag mit M., einem chinesischen Hersteller von Solarzellen, einen Rahmenvertrag über die Lieferung von 16 Anlagen für die Fertigung von Solarzellen geschlossen habe und die Lieferung der ersten Maschine nach China bereits für das erste Quartal 2014 vorgesehen sei. Nachdem der Kurs der Aktien erheblich angestiegen war, veräußerte die Beschuldigte ihre Aktien bereits am 13. September 2013. Im Einzelnen erfolgte der Erwerb und die Veräußerung der Aktien wie folgt:

Datum, Zeit

Geschäft

Stückzahl

Kurs

Kurswert("brutto")

Wertpapierabrechnung("netto")

10.09.2013 13:36

Kauf

10.000

1,44 €

14.400,00 €

14.556,96 €

11.09.2013 12:05

Kauf

100.000

1,51 €

151.000,00 €

152.621,59 €

11.09.2013 15:08

Kauf

100.000

1,5032 €

150.319,15 €

151.834,66 €

Summe Kauf 210.000

315.719,15 €

319.013,21 €

13.09.2013 10:32

Verkauf

100.000

1,63 €

163.000,00 €

161.214,49 €

13.09.2013 11:03

Verkauf

110.000

1,61 €

177.100,00 €

175.198,57 €

Summe Verkauf 210.000

340.100,00 €

336.413,06 €

Erlös

24.380,85 €

17.399,85 €

Der Beschuldigten wird vorgeworfen, beim Erwerb der Aktien eine Insiderinformation verwendet zu haben. Ihr Ehemann, der Mitbeschuldigte W., habe sie bereits vor dem Erwerb der Aktien über den bevorstehenden Abschluss des Rahmenvertrages informiert. Der Mitbeschuldigte W. sei für eine Tochtergesellschaft der Singulus AG in China aufgrund eines Beratervertrages tätig gewesen. Sein Aufgabenbereich habe die Vorbereitung des Vertragsschlusses mit M. umfasst, weshalb er schon vor Veröffentlichung der Ad-Hoc-Mitteilung vom bevorstehenden Abschluss des Rahmenvertrages gewusst habe. Eine Insideranalyse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom 27. März 2014 bewertet den Abschluss des Rahmenvertrages der Singulus AG mit M. vom 12. September 2013 als eine Insiderinformation.

Das Amtsgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 7. April 2015 den dinglichen Arrest in das Vermögen der Beschuldigten in Höhe von 336.413,06 € angeordnet. Mit Beschluss vom 14. Juli 2015 hat das Landgericht Stuttgart die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts als unbegründet verworfen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beschuldigten.

II.

Die nach § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Ohne Erfolg wendet sich die weitere Beschwerde allerdings gegen die Annahme der Voraussetzungen für die Anordnung des dinglichen Arrests gemäß § 111b Abs. 2, § 111d Abs. 1 StPO. Zu Recht haben die Vorinstanzen diese bejaht, weil Gründe für die Annahme bestehen, dass die Beschuldigte sich wegen verbotenen Erwerbs von Insiderpapieren gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG strafbar gemacht hat und deswegen gegen sie der Verfall des Wertersatzes gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB angeordnet wird.

a) Entgegen der Ansicht des Verteidigers ist nach derzeitigem Stand der Ermittlungen die Information über die Vertragsverhandlungen der Singulus AG mit M., di...

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