Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Brautgabeverlangen nach iranischem Recht
Leitsatz (amtlich)
Die Brautgabe (mahr) ist wesentlicher Bestandteil der islamischen Eheschließung. Außer im Fall der sog. "Loskaufscheidung" oder der einvernehmlichen Ehescheidung bleibt der Anspruch auf die Brautgabe in vollem Umfang erhalten.
Normenkette
iran ZGB Art. 1082; iran ZGB Art. 1087; iran ZGB Art. 1147; EGBGB Art. 6, 14; BGB § 245
Verfahrensgang
AG Ulm (Aktenzeichen 2 F 174/08) |
Tenor
1. Dem Beklagten wird die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug versagt.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Frist: bis 20.11.2008.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 30.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien, iranische Staatsangehörige und geschiedene Eheleute, streiten um die Zahlung einer Morgengabe durch den Beklagten. Die Klägerin stützt sich insoweit auf vertragliche Abreden, die die Eheleute anlässlich ihrer Eheschließung am 25.6.2000 vor dem Heiratsnotariat in T. getroffen hatten (Heiratsurkunde der Islamischen Republik Iran, Justizamt der Islamischen Republik Iran, Heiratsnotariat-Nr. ... in T., Bl. 4 d.A.). Danach hatte sich der Ehemann verpflichtet, der Ehefrau auf ihre Forderung einen Koran, einen Spiegel und ein Paar Kerzenträger, Gold, Juwelen sowie ... 214 Bahar Azadi Goldmünzen auszuzahlen. In dieser Vereinbarung war außerdem geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Ehefrau berechtigt sei, ihrerseits die Scheidung der Ehe zu beantragen.
Der auf die genannte Vereinbarung gestützten Klage gab das FamG statt und verurteilte den Beklagten, der Klägerin 214 Goldmünzen Bahar Azadi zu Eigentum zu übergeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er macht geltend, die Ehefrau habe die Scheidung der Ehe beantragt, wodurch sie ihren auf Zahlung der Morgengabe gerichteten Anspruch ganz oder teilweise verwirkt habe. Denn sie sei im Zuge einer sog. "Loskaufscheidung" verpflichtet, sich in Höhe der Morgengabe freizukaufen. Im Übrigen sei geltend zu machen, dass die seinerzeit durch die Parteien getroffene Vereinbarung sittenwidrig und nichtig sei.
II. Nach Vorberatung des Senats bietet die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht und mit im Einzelnen zutreffender Begründung hat das FamG den Beklagten verurteilt, der Klägerin die durch die Parteien vereinbarte Morgengabe, bestehend aus 214 Goldmünzen Bahar Azadi, zu übereignen.
Bei einer Brautgabe handelt sich um ein Rechtsinstitut, das dem islamischen Rechtskreis entspringt und im Gegensatz zu früheren Zeiten heute oftmals aus traditionellen Gründen anlässlich der Eheschließung von Muslimen vereinbart wird, auch wenn diese in westlichen Rechtsordnungen heiraten. Ist die Brautgabe nicht anlässlich der Eheschließung gezahlt worden, richtet sich ihr weiteres Schicksal und die aus ihr abzuleitenden Ansprüche der Ehefrau nach dem Ehewirkungsstatut, im Scheidungsfall dementsprechend nach dem Scheidungsstatut (OLG Stuttgart, FamRZ 2008, 1756 = FamRBint 2008, 49 f. [Mörsdorf-Schulte]; OLG Zweibrücken FamRZ 2007, 1555). Subsumiert man die Auslegung des Rechtsinstituts der Morgengabe also als allgemeine Ehewirkung unter Art. 14 EGBGB, so ist iranisches Recht anzuwenden, weil beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung die iranische Staatsangehörigkeit besaßen (OLG Köln FamRZ 2006, 1380, 1382 f.).
Zwar weist der Beklagte darauf hin, die Morgengabe werde als Gegenleistung für die geschlechtliche Hingabe der Braut versprochen (vgl. OLG Hamburg FamRZ 2004, 459, 460). Indes stehen Gesichtspunkte des deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) einer Anwendung der iranischen Vorschriften über die Morgengabe nicht entgegen. Denn es kommt nicht darauf an, ob das iranische und das deutsche Recht auf widerstreitenden Prinzipien beruhen, sondern allein darauf, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des iranischen Rechts aus Sicht des deutschen Rechts zu missbilligen ist (BGH FamRZ 2004, 1952, 1955 m. Anm. Henrich). Das jedoch ist nicht der Fall (OLG Köln, a.a.O.). Die Brautgabe (mahr) ist wesentlicher Bestandteil der islamischen Eheschließung (Wurmnest, FamRZ 2005, 1878; Yassari, FamRBint 2005, 87, 90). In der heutigen Zeit liegt ihr primärer Zweck in der finanziellen Sicherung der Ehefrau für den Zeitraum nach Auflösung der Ehe (Wurmnest, a.a.O.). Gegen den deutschen ordre public verstößt das nicht.
Der Anspruch auf die Morgengabe im Zusammenhang mit einer Scheidung hängt nach iranischem Recht von der Form der Auflösung der Ehe ab (OLG Köln, a.a.O.). Das iranische Scheidungsrecht trennt zwischen der Scheidung durch den Mann, die ohne Angabe von Gründen beantragt werden kann, der Scheidung auf Antrag der Ehefrau, der ein Scheidungsgrund (Bedrängnis, Verletzung ehelicher Unterhaltspflichten) zur Seite stehen muss, und der sog. einverständlichen Scheidung ("Loskaufscheidung"), die in Form der khul'a-Scheidung (bei der die ...