Leitsatz (amtlich)
Erbscheinserteilung:
1. Zu den Voraussetzungen der Unwirksamkeit der erbvertraglichen Alleinerbeneinsetzung eines Ehegatten gem. §§ 2279 Abs. 2, 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn zurzeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser ihr zugestimmt hatte.
2. Zu dem anzuwendenden Recht, wenn die Eheleute ausschließlich deutsche Staatsangehörige sind und das Scheidungsverfahren in Liechtenstein anhängig ist, wohin sie ihren Wohnsitz verlegt hatten.
Normenkette
BGB § § 1565 ff, § 2077 Abs. 1 S. 2, § 2279 Abs. 2; EGBGB Art. 25 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Notariat II - NachlG - Stgt.-Bad Cannstatt (Beschluss vom 12.07.2011; Aktenzeichen II NG 44/2011) |
Nachgehend
Tenor
1. Die befristete Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 gegen den Zurückweisungsbeschluss des Notariats II - Nachlassgericht - Stuttgart-Bad Cannstatt vom 12.7.2011 - II NG 44/2011, wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligte Ziff. 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 750.000 EUR
Gründe
I. Im Streit zwischen den Beteiligten ist das erbvertragliche Alleinerbenrecht der Beschwerdeführerin, die am 27.4.2011 einen entsprechenden durch den Zurückweisungsbeschluss vom 12.7.2011 beschiedenen Erbscheinsantrag gestellt hatte.
Da zwischen dem Erblasser und der Beteiligten Ziff. 2 ein Scheidungsverfahren anhängig war, hatte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 4.4.2011 Nachlasspflegschaft angeordnet und den Beteiligten Ziff. 1 zum Nachlasspfleger bestellt mit dem Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Ermittlung der Erben. Das diesbezügliche Beschwerdeverfahren wurde durch den Beschluss des Senats vom 7.6.2011 - 8 W 167/11, abgeschlossen, auf den Bezug genommen wird.
Die Beschwerdeführerin hat gegen den am 25.7.2011 zugestellten Zurückweisungsbeschluss am 1.8.2011 Beschwerde eingelegt, auf deren Begründung verwiesen wird.
Das Notariat hat mit Beschluss vom 23.8.2011 nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Sachverhaltsdarstellung wird im Einzelnen Bezug genommen auf die vorgenannten Beschlüsse des Notariats sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt.
II.1. Die Zuständigkeit des Nachlassgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt ergibt sich aus § 1962 BGB i.V.m. § 343 Abs. 1 FamFG.
Der deutsche Erblasser hatte keinen inländischen Wohnsitz, hielt sich aber zurzeit des Erbfalls in Stuttgart-Bad Cannstatt auf. Der in Liechtenstein festgestellte Wohnsitz schließt die Aufenthaltszuständigkeit in der Bundesrepublik nicht aus.
Unter Aufenthalt i.S.v. § 343 FamFG ist ein tatsächliches Verhalten zu verstehen. Dabei ist es gleichgültig, ob dieser nur ein vorübergehender, z.B. auf der Durchreise, oder ein auf längere Dauer berechneter, ein gewollter oder unfreiwilliger, ein bewusster oder unbewusster Aufenthalt war. Der Aufenthaltsort zurzeit des Erbfalls ist damit der Sterbeort (Zimmermann in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 343 FamFG Rz. 37 und 44-45, je m.w.N.), vorliegend das Krankenhaus Stuttgart-Bad Cannstatt.
2.a) Die befristete Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 ist zulässig gem. §§ 58 ff FamFG.
Zweifel an ihrer Beschwerdeberechtigung gem. § 59 Abs. 1 und 2 FamFG bestehen nicht, weil ihr Erbscheinsantrag zurückgewiesen wurde, wodurch ihre geltend gemachte erbvertragliche Alleinerbenstellung beeinträchtigt wird.
Der erforderliche Beschwerdewert (§ 61 Abs. 1 FamFG: über 600 EUR) ist gegeben und das Rechtsmittel wurde innerhalb der gesetzlichen Frist des § 63 Abs. 1 FamFG in der vorgeschriebenen Form (§ 64 Abs. 2 FamFG) beim Notariat (§ 64 Abs. 1 FamFG) eingelegt.
b) Die Fristsetzung für die Beschwerdebegründung gem. § 65 Abs. 2 FamFG im Rahmen des vom Nachlassgericht zwingend durchzuführenden Abhilfeverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG) ist nicht zu beanstanden.
Dem Ausgangsgericht wird kein Wahlrecht zwischen Abänderung oder Nichtabänderung eingeräumt. Vielmehr ist es zu einer Selbstkorrektur seiner Entscheidung verpflichtet, wenn diese sich nach einer erneuten Prüfung als ungerechtfertigt erweist (Sternal in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 68 Rz. 5 m.w.N.).
Im Hinblick auf die Ankündigung, dass die Beschwerde in einem gesonderten Schriftsatz begründet werden wird, war es zweckdienlich, der Beschwerdeführerin eine Frist zur Nachreichung ihrer Begründung zu setzen. Bei deren Vorlage hatte das Ausgangsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob eine Abänderung seiner Entscheidung erforderlich ist (Sternal, a.a.O., § 68 Rz. 11 m.w.N.). Im Übrigen ist bei einer in Aussicht gestellten oder vorbehaltenen Beschwerdebegründung ein Zuwarten von 2-3 Wochen angemessen, aber auch ausreichend (Sternal, a.a.O., § 65 Rz. 7 m.w.N.). Die Beschwerdeeinlegung erfolgte am 1.8.2011. Bei einem Zuwarten von 2-3 Wochen durfte das Abhilfeverfahren zwischen dem 15. und 22.8.2011 abgeschlossen werden, was tatsächlich mit Beschluss vom 23.8.2011 nach ...