Verfahrensgang

AG Rottweil (Beschluss vom 02.12.1997; Aktenzeichen 4 F 231/97)

 

Gründe

Die Rechtsverfolgung des Klägers hat in beiden Instanzen keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO. Deshalb muss dem Kläger Prozesskostenhilfe für den 2. Rechtszug versagt bleiben; seine nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe durch das Familiengericht ist unbegründet.

Der Kläger hat sich im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung am 8. Dezember 1971 in einem gerichtlich protokollierten Vergleich verpflichtet, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 640,00 DM zu bezahlen. Diese Unterhaltsvereinbarung ist seit dem weder aufgehoben noch abgeändert worden, sie ist daher für die Unterhaltspflicht des Klägers weiterhin maßgeblich.

Die mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts ... vom 22. Oktober 1996 beigetriebenen Unterhaltsrückstände für die Zeit vom 01. Januar 1992 bis 17. September 1996 sind weder ganz noch teilweise verjährt. Unterhaltsrenten verjähren gemäß § 197 BGB in vier Jahren. Gemäß § 201 BGB ist Beginn der Verjährungsfrist erst das Jahresende. Dies bedeutet, dass die gesamten Unterhaltsrückstände des Jahres 1992 und auch der Folgejahre durch verjährungsunterbrechende Handlungen im Jahre 1996 vor der Verjährung geschützt werden konnten. Dies ist durch Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 17. September 1996 geschehen, wie sich aus § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB ergibt. Diese Verjährungsregelung gilt für Unterhaltsforderungen, die erst nach Titulierung fällig werden; für die zum Zeitpunkt der Titulierung bereits fällig gewordenen Unterhaltsansprüche gilt die 30-jährige Vollstreckungsverjährung gemäß § 218 Abs. 1 BGB.

Die nunmehr im Vollstreckungsverfahren geltend gemachten Unterhaltsrückstände sind nicht verwirkt. Weder das für Annahme der Verwirkung erforderliche Zeitmoment, noch das Umstandsmoment sind erfüllt.

Zwar hat der Bundesgerichtshof - unter Bezug auf §§ 1585 b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Satz 2, 1615 i Abs. 2 Satz 1 BGB - angenommen, dass das Zeitmoment für die Verwirkung von Trennungsunterhalt dann erfüllt sein kann, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die mehr als ein Jahr zurückliegen (BGH, FamRZ 1988, 370, 372), weil aus den genannten Regelungen folge, dass dem Schuldnerschutz besondere Beachtung zu schenken sei. Gleichzeitig hat er im genannten Urteil jedoch ausgeführt, unter besonderen Umständen, insbesondere solchen aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners, könne der Grundsatz von Treu und Glauben gebieten, das Zeitmoment diesen Umständen anzupassen und weit längere Fristen ins Auge zu fassen. Dies ist im vorliegenden Fall anzunehmen. Anders als bei der Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind hier die Unterhaltsrückstände bereits tituliert. Auch hat die Beklagte im Jahr 1977 einen - wenn auch erfolglosen - Vollstreckungsversuch unternommen. Der Kläger ist also in wesentlich geringerem Maße schutzwürdig in seinem Vertrauen, der jahrelangen Untätigkeit der Beklagten liege die Absicht zugrunde, den bereits titulierten Unterhaltsanspruch künftig nicht mehr durchzusetzen. Der Senat schließt sich der Auffassung des OLG Karlsruhe (FamRZ 1993, 1456, 1457) an, dass bei titulierten Unterhaltsforderungen ein strengerer Maßstab anzulegen ist in Bezug auf die Annahme der Verwirkung, da nur in einem besonderen, Ausnahmefall dem Titelgläubiger die zwangsweise Durchsetzung seines Anspruchs verweigert werden kann. Weil überdies § 218 Abs. 2 BGB bereits eine Ausnahme vom Grundsatz der 30-jährigen Vollstreckungsverjährung gemäß § 218 Abs. 1 BGB darstellt, kommt ein noch weitergehender Schutz des Vollstreckungsschuldners bei rückständigen titulierten Unterhaltsforderungen im Regelfall nicht in Betracht. Das Gesetz mutet dem Unterhaltsschuldner im Falle eines titulierten Anspruchs grundsätzlich zu, auch die - unter Umständen hohe - Schuldenlast aus einem Zeitraum von vier Jahren durch Nachzahlung zu erfüllen. In Übereinstimmung mit dem erwähnten Urteil des OLG Karlsruhe geht der Senat davon aus, dass das Zeitmoment vor Ablauf von vier Jahren regelmäßig nicht erfüllt ist.

Auch dürfte der Kläger allein wegen des Zeitablaufs nicht darauf vertrauen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Er hat in der Vergangenheit, verschiedentlich seinen Aufenthaltsort und seine Meldeadresse geändert und diese - trotz Titulierung der Unterhaltsförderung - der Beklagten nicht mitgeteilt. Im streitgegenständlichen Zeitraum seit 1992 war der Kläger zwar seinem Vorbringen nach durchgehend in ... polizeilich gemeldet. Er hielt sich dort jedoch nicht auf, sondern war in Frankreich wohnhaft. Die Meldeanschrift in Deutschland alleine hätte es der Beklagten nicht ermöglicht, den Kläger auch tatsächlich zu erreichen und ihre Forderung gelten zu machen. Die Tatsache, dass bereits die Zustellung des Pfändungs- und Oberweisungsbeschlusses beim Drittschuldner zur Pfändung des Rentenanspruchs des Klägers ausrei...

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