Leitsatz (amtlich)

Auch bei der sog. Konzernverschmelzung einer Tochter- auf die Muttergesellschaft ist das angemessene Umtauschverhältnis nach der Relation der Unternehmenswerte zu bestimmen. Eine davon zugunsten der Aktionäre der Tochtergesellschaft abweichende Börsenkursrelation stellt nicht die Untergrenze des Umtauschverhältnisses dar.

 

Normenkette

UmwG § 15 Abs. 1; GG Art. 14; ZPO § 287 Abs. 2; UmwG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3, §§ 12, 20 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 06.02.2006; Aktenzeichen 34 AktE 8/01 KfH)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 20.12.2010; Aktenzeichen 1 BvR 2323/07)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsteller zu 5, 7, 8, 9, 10, 14 und 15 gegen den Beschluss der 3. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 6.2.2006 - 34 AktE 8/01 KfH - wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Antragsteller verlangen im Spruchverfahren eine bare Zuzahlung zum Aktienumtausch für die ehemaligen Aktionäre der A. AG, die auf die Antragsgegnerin, die B. AG, seit 27.6.2007 als C. AG mit Sitz in X. firmierend, verschmolzen worden ist.

I. Am Grundkapital der börsennotierten A. von 25.931.120 EUR, das in 978.120 auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt war, hielt die ebenfalls börsennotierte Antragsgegnerin zum 30.9.2000 einen Anteil von 95,34 % (932.511 Stück Aktien); die übrigen 45.609 Aktien waren in Streubesitz. Das Grundkapital der Antragsgegnerin betrug 69.160.000 EUR und war in 26.600.000 Stückaktien eingeteilt, die insgesamt breit gestreut waren (nach Angaben im Verschmelzungsbericht war kein Aktionär mit mehr als 5 % Beteiligung bekannt).

Mit einer Ad-hoc-Mitteilung der Antragsgegnerin vom 21.9.2000 wurde die Absicht bekanntgeben, die A. auf die Antragsgegnerin zu verschmelzen (nach vorausgehender Ausgliederung der wesentlichen Beteiligungen der A. auf eine 100- %ige Tochter-GmbH als künftige Zwischenholding im Konzern der Antragsgegnerin). Die von der Antragsgegnerin beauftragten Wirtschaftsprüfer ermittelten in ihrem Bewertungsgutachten vom 22.12.2000 zum Stichtag 9.3.2001 auf der Grundlage von Ertragswertberechungen Unternehmenswerte der A. von 65,9 Mio. EUR und der Antragsgegnerin von 680,4 Mio. EUR. Zusätzlich wurden Verbundeffekte in Form von Zinsvorteilen (12 Mio. EUR) aus der schnelleren Nutzung steuerlicher Verlustvorträge der A. beiden Unternehmen hälftig zugeordnet. Damit ergaben sich anteilige Unternehmenswerte von 73,51 EUR je Aktie der A. und von 26,02 EUR je Aktie der Antragsgegnerin. Daraus folgte ein Umtauschverhältnis von 1:2,825. Die Antragsgegnerin bot mit dem Entwurf des Verschmelzungsvertrags ein aufgerundetes Umtauschverhältnis von 1:3 an, dessen Angemessenheit von der Verschmelzungsprüferin am 16.1.2001 bestätigt wurde. Das Angebot wurde mit der Einladung zur Hauptversammlung der A. im Bundesanzeiger vom 24.1.2001 bekannt gemacht.

Die Hauptversammlung vom 9.3.2001 stimmte dem Verschmelzungsvertrag zu, die Verschmelzung mit Rückwirkung zum 1.1.2001 wurde am 12.4.2001 im Handelsregister eingetragen.

Auf Seiten der Antragsgegnerin wurde im Hinblick auf § 62 Abs. 1 Satz 1 UmwG kein Zustimmungsbeschluss zum Verschmelzungsvertrag eingeholt. Eine Kapitalerhöhung der Antragsgegnerin fand nicht statt. Für den Umtausch wurden, wie im Verschmelzungsbericht angekündigt (u.a. S. 44), 136.827 eigene Aktien verwendet, welche die Antragsgegnerin auf Grund einer Ermächtigung ihrer Hauptversammlung vom 7.7.2000 im Januar 2001 über ein Kreditinstitut zum durchschnittlichen Kurs von 14,48 EUR erworben hatte.

II. Mehrere ehemalige Aktionäre der A. haben im Spruchverfahren die Festsetzung einer baren Zuzahlung beantragt, weil das Umtauschverhältnis nicht angemessen sei. Sie haben sich vor allem darauf gestützt, dass die ihnen günstigere Relation der Börsenkurse zugrunde zu legen sei, die wegen des grundrechtlichen Eigentumsschutzes die Untergrenze eines Umtauschverhältnisses darstellen müsse. Außerdem haben sie Beanstandungen gegen die dem Verschmelzungsbericht zugrunde liegende Ertragswertermittlung der beiden Unternehmen vorgebracht.

Der vom LG beauftragte Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass das Umtauschverhältnis unter isolierter Betrachtung nach Ertragswertgesichtspunkten auch unter Berücksichtigung einiger gebotener, sich aber ausgleichender Korrekturen nicht unangemessen sei. Er hat weiter unter der von ihm vertretenen Prämisse, dass im Hinblick auf die DAT-Altana-Entscheidung des BVerfG die Relation der Börsenkurse die Untergrenze eines angemessenen Umtauschverhältnisses darstelle, diese Relation untersucht. Dazu hat er von der Deutschen Börse AG bezogene Kursdaten der A. und der Antragsgegnerin analysiert. Er ist zum Ergebnis gelangt, dass dem einzelnen Minderheitsaktionär die Veräußerung von Aktie...

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