Leitsatz (amtlich)

Die vom Sachverständigen angegebenen Kosten der von ihm vorgeschlagenen Mangelbeseitigungsmaßnahme sind auch dann der Festsetzung des Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens zugrunde zu legen, wenn der Antragsteller eine andere, teurere Mangelbeseitigungsmaßnahme und deren vermutliche Kosten in der Begründung seiner Anträge genannt hat, ohne sich in seinen Anträgen oder dessen Begründung ausdrücklich auf diese eine Mangelbeseitigungsmaßnahme festzulegen.

 

Normenkette

GKG § 63 Abs. 2; ZPO § 485

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 29.04.2008; Aktenzeichen 21 OH 8/07)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Streitwertbeschluss des LG Stuttgart vom 29.4.2008 abgeändert und der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens auf 3.645 EUR festgesetzt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wehrt sich gegen die Streitwertfestsetzung für ein selbständiges Beweisverfahren.

Mit Antrag vom 15.5.2007 begehrte die Antragstellerin im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu Mängeln am Außenputz eines Bürogebäudes an den Fenstern, deren Ursache sowie zur Art der zur Mangelbeseitigung notwendigen Maßnahmen und deren Kosten. Im Rahmen der Begründung des Antrags schätzte die Antragstellerin die Kosten der zur Mangelbeseitigung erforderlichen Maßnahmen auf mindestens netto 11.000 EUR und vertrat in diesem Zusammenhang u.a. die Auffassung, dass die gesamte Fassade neu zu streichen sei.

Aufgrund Beschlusses des LG Stuttgart vom 14.6.2007 wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt, das zwar nicht alle, aber einen erheblichen Teil der behaupteten Mängel bestätigte. Die Beseitigungskosten für die festgestellten Mängel bezifferte der Sachverständige auf 3.105 EUR. Dabei ging der Sachverständige davon aus, dass die Fassade nicht insgesamt neu zu streichen wäre. Auf Nachfrage der Antragstellerin blieb der Sachverständige bei dieser Feststellung.

Mit Beschluss vom 29.4.2008 setzte der Einzelrichter des LG Stuttgart den Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens auf 10.000 EUR fest. Dabei berücksichtigte das LG, dass die Antragstellerin das Interesse verfolgt habe, feststellen zu lassen, dass ein Neuanstrich der Fassade erforderlich sei.

Gegen diesen am 5.5.2008 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 14.5.2008 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert auf 3.645 EUR festzusetzen. Die vom Sachverständigen ermittelten Kosten der Mangelbeseitigung seien lediglich um 540 EUR zu erhöhen, die als fiktive Kosten auf die nicht festgestellten Mängel an zwei Fenstern entfielen. Die Schätzung der Antragstellerin des erforderlichen Mangelbeseitigungsaufwands in der Antragschrift sei völlig unverbindlich. Entgegen dem LG sei das Interesse der Antragstellerin nicht auch auf Feststellung der Notwendigkeit eines Neuanstrichs der Fassade gegangen. Soweit die Antragstellerin von einer entsprechenden Mangelbeseitigungsmaßnahme ausgegangen sei, sei auch dies unverbindlich gewesen. Diese Auffassung habe deshalb keinerlei Auswirkungen auf den Streitwert gehabt.

Die Antragsgegnerin ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten. Die Antragstellerin habe in der Antragsschrift eine bestimmte Mangelbeseitigungsmethode vorgegeben und sich nicht nur auf die Bezeichnung der zu beseitigenden Mangelsymptome beschränkt. Darüber hinaus habe sie an den Sachverständigen Ergänzungsfragen im Hinblick auf die Methode der Mangelbeseitigung gestellt. Deshalb sei von einem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an dem Verfahren, das den kompletten Neuanstrich der Fassade beinhalte, auszugehen.

Mit Beschluss vom 7.7.2008 hat das LG die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ohne Abhilfe dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss vom 7.8.2008 hat der Einzelrichter wegen der grundlegenden Bedeutung der Sache das Beschwerdeverfahren dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Entscheidend für die Bemessung des Streitwerts im selbständigen Beweisverfahren ist das in der Antragschrift zum Ausdruck gekommene Interesse an der Klärung (OLG Stuttgart IBR 2006, 309). Dabei ist allerdings der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert weder bindend noch maßgeblich; das Gericht hat nach Einholung des Gutachtens den "richtigen" Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers, festzusetzen (BGH BauR 2004, 1975, Juris Rz. 18). Wenn im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt werden, sind für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen, die sich ergeben hätten, wenn jene Mängel festgestellt worden wären (BGH, a.a.O.).

a) Der objektive, "richtige" Wert der festgestellten Mängel beträgt nach den Feststellungen des Sachverständigen 3.105 EUR. Nachdem der Sachverständige...

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