Leitsatz (amtlich)

Gruppe im Sinne des § 127 StGB kann auch eine spontan gebildete Gruppierung sein, die aufgrund ihrer inneren Struktur zu koordiniertem Handeln fähig ist.

 

Verfahrensgang

AG Ulm (Entscheidung vom 31.03.2014; Aktenzeichen 6 Cs 11 Js 6328/13)

 

Tenor

  1. Auf die Revision des Angeklagten wird die im Urteil des Amtsgerichts Ulm vom 31. März 2014 ausgesprochene Geldstrafe auf 90 Tagessätze zu je 5 Euro

    herabgesetzt.

  2. Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil als unbegründet

    verworfen.

  3. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Ulm verurteilte den Angeklagten am 31. März 2014 wegen Bildung bewaffneter Gruppen zu der Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 5 Euro. Nach den Feststellungen des Urteils hielt sich der Angeklagte in der Nacht vom 22. auf 23. März 2013 in einem von einem Mitglied der Black Jackets - einer rockerähnlichen Gruppierung - betriebenen Prostitutionsbetrieb in U. auf, als es zu Provokationen durch die in Rivalität zu den Black Jackets stehenden Mitglieder der Red Legions kam, die sich zu diesem Zeitpunkt in einem gegenüberliegenden Gebäude befanden. Als sich eine Gruppe von ca. 30 Mitgliedern der Red Legions dem Prostitutionsbetrieb näherte, bewaffneten sich dort der Präsident der U. Black Jackets, vier weitere Personen, darunter der ebenfalls zu den Black Jackets zählende Bruder des Angeklagten, und der Angeklagte, der nicht zu den Black Jackets gehört, gemeinsam aus dem in dem Prostitutionsbetrieb vorhandenen Waffenarsenal, wobei u.a. der Angeklagte einen Baseballschläger und der Präsident der Black Jackets eine geladene Pistole nahm. Anschließend stellten sich diese Personen unter der Führung des Präsidenten der Black Jackets, der mehrere Schüsse auf die entgegenkommenden Mitglieder der Red Legions abgab, dieser Personengruppe entgegen, um die Macht der Black Jackets zu demonstrieren.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Sprungrevision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und ist der Auffassung, dass sich die Gruppe, zu der er gehörte, spontan gebildet habe und deswegen keine Gruppe im Sinne des § 127 StGB sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie geschehen zu erkennen.

II.

Die Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

Der Rechtsfolgenausspruch hält der auf die Sachrüge gebotenen rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Senat kann jedoch ohne Zurückverweisung des Verfahrens nach § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO eine eigene Entscheidung treffen. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

1.

Die Feststellungen im Urteil vom 31. März 2014 tragen den Schuldspruch. Insbesondere rechtfertigen die Urteilsfeststellungen die Annahme einer Gruppe im Sinne des § 127 StGB.

a.

Für den Begriff "Gruppe" gibt es keine gesetzliche Definition. Nach dem Wortsinn ist eine Gruppe - im Gegensatz zu einer bloßen Ansammlung von Einzelpersonen - eine Mehrheit von Personen, die durch ein gemeinsames Merkmal verbunden sind und sich insbesondere zu einem gemeinsamen Zweck zusammengeschlossen haben (so der erfolgreiche Änderungsvorschlag des Bundesrates zum 6. StrRG, BT-Drucks 13/8587 S. 57; Leipziger Kommentar-Krauß, StGB, § 127 Rn. 6; Münchner Kommentar-Schäfer, StGB, 2. Aufl., § 127 Rn. 10; Lenckner, Gedächtnisschrift Keller, S. 151, 156).

Der gemeinsame Zweck war hier die gemeinsame Machtdemonstration gegenüber den Mitgliedern der Red Legions.

b.

Aus welcher Personenzahl diese Personenmehrheit bestehen muss, um eine Gruppe im Sinne des § 127 StGB zu sein, kann nicht allgemeingültig festgelegt werden und ist unter Berücksichtigung des Normzwecks und nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen (LK-Krauß, a.a.O., Rn. 10; MK-Schäfer, a.a.O., Rn. 13; Lenckner, GS Keller, S. 151, 156). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers kann bereits die Zahl von drei Personen reichen (zustimmende Stellungnahme des Bundestages zum Änderungsvorschlag des Bundesrates, BT-Drucks. 13/8587 S. 80). Bei einer räumlich verteilten Gruppe ist hingegen eine höhere Personenanzahl notwendig (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 127 Rn. 2; BeckOK-von Heintschel-Heinegg, Ed. 23, StGB, § 127 Rn. 2).

Der hier festgestellte Zusammenschluss von sechs Personen reicht insoweit jedenfalls aus.

c.

Auch das erforderliche Mindestmaß an Organisation ist gegeben.

Einer militärischen Organisation der Gruppe mit Befehls- oder Kommandostrukturen bedarf es nicht (MK-Schäfer, a.a.O., Rn. 10). Jedoch ist bei Fehlen einer räumlichen Zusammenfassung der zugehörigen Personen ein gewisses Maß an Organisation erforderlich, wohingegen bei einer räumlichen Versammlung der Personen ein loser Zusammenschluss ohne besondere Organisationsform genügt (Lenckner, GS Keller, S. 151, 157; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, a.a.O., Rn. 2; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 127 Rn. 3; L...

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