Leitsatz (amtlich)
1. Das Verbot der Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO gilt auch im Einziehungsverfahren.
2. Der Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO führt dazu, dass der zugrunde liegende Mandatsvertrag und die Vollmacht unwirksam sind.
3. Auch wenn der Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung im Verfahren unbemerkt geblieben ist, kann die Kostenerstattung im Kostenfestsetzungsverfahren versagt werden.
4. Bei einem Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung findet eine Gebührenerhöhung gemäß Nr. 1008 VV RVG keine Anwendung.
Normenkette
StPO §§ 146, 146a, 428 Abs. 1 S. 2, §§ 435, 464b; VV-RVG Nr. 1008
Verfahrensgang
LG Tübingen (Entscheidung vom 28.06.2018; Aktenzeichen 1 KLs 42 Js 6463/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts ... gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Tübingen vom 28. Juni 2018 wird als unzulässig
verworfen.
- Kosten für das Rechtsmittelverfahren werden nicht erhoben.
- Der Beschwerdewert wird auf 804,32 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde wendet sich der beschwerdeführende Rechtsanwalt gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, mit welchem auf seinen Antrag hin die den Angeklagten E. und V. von Seiten der Staatskasse für das selbständige Einziehungsverfahren als notwendige Auslagen zu erstattenden Wahlverteidigergebühren festgesetzt wurden, wobei er die Festsetzung eines höheren Erstattungsbetrages begehrt.
Gegen die beiden Angeklagten sowie vier weitere Angeklagte wurde vor dem Landgericht Tübingen in den Jahren 2012 und 2013 ein Strafverfahren wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geführt. Dabei war der Beschwerdeführer als Wahlverteidiger des Angeklagten E. und Rechtsanwältin ... als zunächst Wahl- und sodann Pflichtverteidigerin des Angeklagten V. tätig. Die Hauptverhandlung konnte wegen einer längerfristigen Erkrankung eines Richters nicht abgeschlossen werden. Vor Beginn einer neuen Hauptverhandlung wurden die Haftbefehle gegen die sechs Angeklagten mit Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. November 2013 aufgehoben. Die Angeklagten haben das Land verlassen und sind unbekannten Aufenthaltes. Das Verfahren wurde durch Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 12. Februar 2016 gemäß § 205 StPO vorläufig eingestellt.
Laut der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Tübingen vom 5. Dezember 2012 wurden im Laufe des Ermittlungsverfahrens im Auftrag des Angeklagten E. an einen Verdeckten Ermittler des Landeskriminalamts Baden-Württemberg insgesamt 245.000 Euro in bar übergeben, davon 60.000 Euro durch den Angeklagten V.; das Geld wurde sichergestellt.
Mit Schreiben vom 14. März 2016 hat der Beschwerdeführer die Freigabe dieser sichergestellten 245.000 Euro im Auftrag des Angeklagten E. sowie vorsorglich - falls die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Herausgabe auf den letzten Gewahrsamsinhaber abstellen sollte - auch im Auftrag und unter Vorlage einer Vollmacht des Angeklagten V. vom 14. März 2016 beantragt. Die Staatsanwaltschaft Tübingen hat daraufhin am 1. April 2016 den Erlass einer selbständigen Verfallsanordnung gemäß § 76a StGB a.F. hinsichtlich der sichergestellten 245.000 Euro beantragt. Nach der Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung zum 1. Juli 2017 hat die Staatsanwaltschaft diesen Antrag auf die Anordnung einer selbständigen Einziehung gemäß § 76a Abs. 4 StGB n.F. abgeändert. Das Landgericht Tübingen hat mit Beschluss vom 29. März 2018 sowohl die Eröffnung des selbständigen Einziehungsverfahrens als auch die Herausgabe der 245.000 Euro an die Angeklagten E. und V. abgelehnt, da der Staat bereits Eigentümer der 245.000 Euro sei. Zugleich hat es beschlossen, dass die Staatskasse die Kosten dieses Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt.
Im Laufe dieses Einziehungsverfahrens hat Rechtsanwältin ... mit Schreiben vom 4. August 2016 die Bevollmächtigung des Beschwerdeführers durch den Angeklagten V. im Hinblick auf § 146 StPO gerügt und eine vom Angeklagten V. auf sie lautende Strafprozessvollmacht vom 20. Juli 2012 vorgelegt, welche auch die Abtretung sämtlicher Kostenersatzforderungen beinhaltete. Zugleich hat sie die Herausgabe der bei V. sichergestellten Summe von "65.000 Euro" an sie beantragt. Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schreiben vom 16. August 2016 dargelegt, dass seiner Ansicht nach kein Verstoß gegen § 146 StPO vorliege. Dieser gelte nur für Verteidigungshandlungen, zu der Frage bezüglich der Geltung in einem Einziehungsverfahren nach Abschluss eines Strafverfahrens habe er keine Entscheidung gefunden. Konkret liege auch offensichtlich kein Interessenkonflikt hinsichtlich der beiden Angeklagten vor, beide hätten die Freigabe des sichergestellten Geldes gemeinsam über einen Anwalt beantragt. Zudem sei die Vollmacht nur vorsorglich vorgelegt worden, falls die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Herausgabe des Geldes auf den letzten Gewahrsamsinhaber abstellen sollte. ...