Verfahrensgang

LG Ulm (Aktenzeichen 3 O 289/22)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Landgerichts Ulm vom 08.08.2022, Az. 3 O 289/22, wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Verfahrens wird in beiden Instanzen auf 24.360,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführer begehren im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens, dem Beschwerdegegner aufzugeben, unter Rücknahme der schulvertraglichen Kündigungserklärungen vom 22.03.2022 und 29.04.2022 den Töchtern der Beschwerdeführer, M ... P ... (geb. ...) und E ... P ... (geb. ...), den Schulbesuch an der F ... W ... F ... in G ...-F ... mit Beginn des Schuljahres 2022/23 ab dem 12.09.2022 wieder zu gestatten.

Diesem Antrag liegt nach dem im einstweiligen Verfügungsverfahren gehaltenen Vortrag der Beschwerdeführer folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Parteien haben am 08.10.2015 jeweils eine Schulvereinbarung (Anlage K 1 und K 2) über die Aufnahme der beiden Kinder der Beschwerdeführer an der F ... W ... F ... in G ...-F ... geschlossen. Beide Töchter nehmen seitdem am Unterricht des Beschwerdegegners teil. Vor den Sommerferien befand sich die Tochter M ... in der 9. Klasse, die Tochter E ... in der 7. Klasse. Beide Kinder zeigen ansprechende schulische Leistungen und sind gut und ohne Probleme in die jeweiligen Klassenverbände integriert.

Im Zusammenhang mit der Umsetzung von Corona-Schutzmaßnahmen, insbesondere der Einführung einer Maskenpflicht, ist es zu Konflikten mit den Beschwerdeführern gekommen. Die Beschwerdeführerin richtete am 13.01.2022 eine E-Mail (Anlage K 9) an den Beschwerdegegner.

Am 22.03.2022 (Anlage K 3) und am 29.04.2022 (Anlage 5) kündigte der Beschwerdegegner die Schulverträge mit den Beschwerdeführern zum 31.07.2022. Nachdem ein Gespräch mit dem Schulleiter nicht zu Stande gekommen ist, beauftragten die Beschwerdeführer Ende Juli 2022 einen Prozessbevollmächtigten, der sich mit weiterem Anwaltsschreiben vom 15.07.2022 an den Beschwerdegegner wandte und um Stellungnahme bis 28.07.2022 bat. Mit Schriftsatz vom 04.08.2022, eingegangen beim LG Ulm, haben die Beschwerdeführer den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Sie begründen dies im Wesentlichen damit, dass die ausgesprochenen Kündigungen unwirksam seien. Der Kündigung vom 22.03.2022 fehle es an der notwendigen Begründung. Die weitere Kündigung vom 29.04.2022 sei unwirksam, da weder ein gesetzliches noch ein vertragliches Kündigungsrecht bestehe. Ziffer 5 der Schulvereinbarung verstoße insofern gegen §§ 307 ff. BGB. Beide Schülerinnen würden durch die Regelung unangemessen benachteiligt, weil durch die Kündigung wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Schulvertrages ergeben, derart eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks (dauerhafte Beschulung bis zum Abschluss der 12. Klasse) gefährdet sei. Hinzu komme eine unangemessene Benachteiligung beider Kinder entgegen dem Gebot von Treu und Glauben (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Auch ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund bestehe nicht; zumal der Beklagte die Frist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe. Insgesamt sei zu berücksichtigen, dass die Äußerungen der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit nicht zum Anlass einer Kündigung des Schulvertrags genommen werden können. Hinzu komme, dass den betroffenen Kindern kein Fehlverhalten angelastet werden kann. Es erscheine unbillig, dass die Kinder unter Missachtung ihrer Rechte für das Verhalten der Beschwerdeführer einstehen müssen.

Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 08.08.2022 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführer vom 12.08.2022, eingegangen beim OLG Stuttgart am gleichen Tag. Die Beschwerdeführer verfolgen damit ihren erstinstanzlich gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter. Sie wiederholen und vertiefen ihren bisherigen Vortrag, wonach die gerügte Vertragsklausel wegen der Gefährdung des Vertragszwecks und der unangemessenen Benachteiligung der Beschwerdeführer und ihrer Kinder führe. Das Verhalten des Beschwerdegegners sei zudem rechtsmissbräuchlich, da die Kinder die gegenständliche E-Mail nicht verfasst haben und die darin enthaltenen Aussage, keine individuelle Diskreditierung darstelle. Ein kritischer Diskurs müsse nach den Vorgaben des Grundgesetzes möglich sein. Das Landgericht hat dem Beschwerdegericht am 30.08.2022 die Verfahrensakten zur Entscheidung in der Sache vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht kann im vorliegenden Einzelfall ohne Durchführung des Abhilfeverfahrens in der Sache entscheiden. Angesichts des nahenden Schulbeginns am 12.09.2022 und den nachvollziehbar geschilderten schweren Nachteilen für die Töchter der Beschwerdeführer bei einer späteren Entscheidung handelt es sich um einen Eilfall, bei dem im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes und zur Vermeidung einer Verzögerung eine Entscheidu...

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