Entscheidungsstichwort (Thema)
Inobhutnahme eines Säuglings direkt nach der Geburt.
Verfahrensgang
AG Schwäbisch Hall (Aktenzeichen 2 F 495/21 eA) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Landratsamts Ostalbkreis - Jugendamt - gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwäbisch Hall vom 08.09.2021 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass der Verbleib des Kindes M. geboren am 03.08.2021, bei der Pflegefamilie ... so lange angeordnet wird, bis eine Aufnahme des Kindes zusammen mit der Mutter ... in der Mutter-Kind-Abteilung der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd oder in einer Mutter-Kind-Abteilung einer anderen Justizvollzugsanstalt sichergestellt ist oder die Haft der Kindesmutter unterbrochen oder beendet wird.
2. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Gerichtskosten erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Kindesmutter wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... Schwäbisch Hall, bewilligt.
Beschwerdewert: 2.000,00 EUR
Gründe
I. Die Beteiligte zu 2 - die Kindesmutter - befindet sich seit März 2021 in der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd. Sie verbüßt dort eine Jugendstrafe von eineinhalb Jahren. Mit einer Entlassung ist Mitte 2022 oder früher zu rechnen.
Am 03.08.2021 brachte die Kindesmutter ihre Tochter M. zur Welt. Unmittelbar nach der Geburt nahm das Jugendamt den Säugling in Obhut. Seitdem lebt das Mädchen bei der Pflegefamilie ... Die Kindesmutter erklärte sich hiermit nicht einverstanden; vielmehr hatte sie bereits seit ihrer Aufnahme in die JVA mehrfach erklärt, in der Mutter-Kind-Abteilung der Vollzugsanstalt ihr Kind während Ihrer Haft betreuen zu wollen.
Aufgrund der entsprechenden Meldung des Jugendamts am 06.08.2021 an das Familiengericht leitete dieses das vorliegende Verfahren ein.
Für M. wurde Frau S. zur Verfahrensbeiständin bestellt.
Ein Erörterungstermin wurde auf den 08.09.2021 bestimmt.
Das Hauptsacheverfahren ist unter dem Aktenzeichen 2 F 528/21 vor dem Familiengericht anhängig. Dort ist zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben worden.
Mit Beschluss vom 23.08.2021 lehnte es das Familiengericht ab, der Kindesmutter die elterliche Sorge oder Teile davon zu entziehen. Gleichzeitig wurde eine vorläufige Verbleibensanordnung zu Gunsten der Pflegeeltern getroffen, so lange eine Unterbringung von Mutter und Kind in einer entsprechenden Abteilung der Vollzugsanstalt nicht sichergestellt sei.
Auf die Gründe der Entscheidung wird verwiesen.
Das von der Kindesmutter angerufene Verwaltungsgericht Stuttgart hob durch Beschluss vom 25.08.2021 die sofortige Vollziehung der Inobhutnahme auf und ordnete die Herausgabe des Kindes an die Mutter an, da die Maßnahme des Jugendamts an einem formellen Mangel, nämlich an einer hinreichenden Begründung, leide und überdies Zweifel an einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls bestünden, zumal in der Mutter-Kind-Abteilung der Justizvollzugsanstalt Plätze frei seien.
Weder das Jugendamt noch die Anstaltsleitung kamen diesen Anordnungen nach.
Im Rahmen des Anhörungstermins am 08.09.2021 konnte die Kindesmutter mit ihrer Tochter das erste Mal persönlich Kontakt aufnehmen.
Nach ausführlicher Erörterung der Angelegenheit mit allen Beteiligten außer dem Kindesvater, der über seine Verfahrensbevollmächtigte erklären ließ, dass seiner Ansicht nach, ein Kind kurz nach der Geburt zur Mutter gehöre, wurde seitens der Anstaltsleitung telefonisch die Zustimmung erteilt, dass die Kindesmutter mit dem Säugling in die JVA zurückfahren könne.
Mit Beschluss, der noch im Erörterungstermin erlassen wurde, ist die Entscheidung vom 23.08.2021 aufrechterhalten, jedoch die Verbleibensansordnung aufgehoben worden.
In der Vollzuganstalt wurde der Kindesmutter allerdings die Aufnahme in die Mutter-Kind-Abteilung verweigert, demzufolge das Jugendamt M. wiederum gegen den Widerspruch der Mutter noch am 08.09.2021 in Obhut nahm.
Diesbezüglich sind jeweils Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Familiengericht anhängig.
Gegen den ihm am 14.09.2021 zugestellten und mit Gründen versehenen Beschluss legte das Jugendamt am 23.09.2021 Beschwerde ein. Es wird angeregt, der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre Tochter zu entziehen. Auf die Ausführungen in der Rechtsmittelschrift wird Bezug genommen.
Die Kindesmutter sowie die Verfahrensbeiständin verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung. Aus der Stellungnahme der Verfahrensbeiständin geht unter anderem hervor, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart auch die Vollziehung der zweiten Inobhutnahme aufgehoben habe.
II. Das gemäß §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 ff., 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zulässige Rechtsmittel des Jugendamts hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Familiengericht gegen die Kindesmutter keine sorgerechtlichen Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß §§ 49 ff. FamFG ergriffen, da keine konkrete Gefährdung des Kindes vorliegt.
Eine räumliche Trennu...