Entscheidungsstichwort (Thema)
Präklusion bei nachträglicher Befristung eines im Jahr 2007 titulierten Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt wegen Unterhaltsrechtsänderung
Leitsatz (amtlich)
Ist bereits nach dem vor dem 1.1.2008 geltenden Recht eine Befristung des Ehegattenunterhalts möglich gewesen, insbesondere nach der Änderung der Rechtsprechung des BGH ab dem Frühjahr 2006, so sind Umstände, die in einem im Jahr 2007 entschiedenen Unterhaltsrechtsstreit bereits hätten berücksichtigt werden können, in einem nach dem 1.1.2008 eingeleiteten Abänderungsverfahren präkludiert. § 36 Nr. 2 EGZPO steht dem nicht entgegen.
Normenkette
BGB § 1587b Abs. 2, § 1573 Abs. 5 (a.F.); ZPO § 323 Abs. 2; EGZPO § 36 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
AG Bad Saulgau (Urteil vom 19.08.2008; Aktenzeichen 1 F 27/08) |
Tenor
1. Der Antrag des Klägers, ihm für seine Berufung gegen das Urteil des AG Bad Saulgau - FamG - vom 19.8.2008 (1 F 27/08) Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagten wird für die Verteidigung gegen die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG Bad Saulgau - FamG - vom 19.8.2008 (1 F 27/08) raten- und beitragsfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt XXX, bewilligt.
Gründe
I. zum Prozesskostenhilfegesuch des Klägers:
Dem Kläger kann für seine Berufung gegen das Urteil des AG Bad Saulgau - FamG - vom 19.8.2008 (1 F 27/08) keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, weil sie nicht die gem. § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht bietet. Die Berufung ist zwar zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.
Das angefochtene Urteil ist nämlich - jedenfalls im Ergebnis - richtig.
1. Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug allein um die Frage, ob die Unterhaltsverpflichtung des Klägers zeitlich zu befristen ist oder nicht; dieser Streitpunkt lässt sich in 3 Unterpunkte gliedern, nämlich den, ob die Befristungsvoraussetzungen derzeit vorliegen (s.u. 2.), den weiteren, ob die Befristungsvoraussetzungen bereits bei Erlass des Urteils vom 27.4.2007 im Verfahren 1 F 100/05 UE (im Folgenden: "Ausgangsverfahren") vorlagen und dort hätten geltend gemacht werden können und müssen (s.u. 3.) und schließlich den, ob bei Bejahung der dem 2. Unterpunkt zugrunde liegenden Fragestellung die Befristung jetzt noch möglich oder vielmehr gem. § 323 Abs. 2 ZPO präkludiert ist (s.u. 4.).
Außer Streit sind mittlerweile hingegen sämtliche zur Beurteilung der dargestellten Gesichtspunkte maßgeblichen Tatsachengrundlagen, dass nämlich die kinderlose Ehe bis zur Trennung der Ehegatten knapp 13 Jahre währte, die Beklagte vor der Ehe als ungelernte Arbeiterin erwerbstätig war, der Kläger weiterhin das im Urteil des AG Bad Saulgau vom 27.4.2007 zugrunde gelegte Einkommen erzielt, also keine Einkommensverbesserungen erfahren hat, und die Beklagte seit Januar 2008 zwar eine Teilzeitbeschäftigung in der Gastronomie ausübt, hierbei jedoch ein Nettoeinkommen erzielt, das hinter dem zurückbleibt, das der Beklagten im Urteil vom 27.4.2007 fiktiv aufgrund der Annahme einer vollschichtigen Tätigkeit zugeschrieben wurde.
2. Die Frage, ob die Befristungsvoraussetzungen im Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen, bemisst sich im Grundsatz nach dem seit dem 1.1.2008 geltenden Recht, allerdings nach Maßgabe des Übergangsrechts gem. § 36 Nr. 1 und 2 EGZPO.
a) Voraussetzung einer Befristung gem. § 1578b Abs. 2 BGB n.F. ist in jedem Falle, dass die Tatsachengrundlage für die in diesem Zusammenhang anzustellende Billigkeitsprüfung hinreichend gesichert ist. Da anerkannt ist, dass hierfür den Einkommensmöglichkeiten, die sich dem Unterhaltsberechtigten aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit eröffnen, zentrale Bedeutung zukommt, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob dem Unterhaltsberechtigten nach Wiedereintritt ins Berufsleben nach beendeter Ehe Nachteile verbleiben, die ihren Grund in der Ehe selbst haben und die innere Rechtfertigung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs darstellen, kommt eine Befristung nur dann in Betracht, wenn das Einkommen, das der Unterhaltsberechtigte nach voller Wiedereingliederung ins Erwerbsleben gesichert erzielen kann, bereits beziffert werden kann. Der BGH hält dies in seiner Entscheidung FamRZ 2007, 793 bereits dann für möglich, wenn alle hierfür maßgeblichen Umstände bei Schluss der mündlichen Verhandlung zuverlässig voraussehbar sind (vgl. Rz. 60 der genannten Entscheidung).
b) Folgt man der Auffassung von Gerhardt in Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 6. A., 6. Kapitel Rz. 420a, der aus der Entscheidung BGH FamRZ 2007, 793 ableitet, das aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit gesichert erzielbare Einkommen sei erst nach (realer) Aufnahme einer Ganztagsarbeit zuverlässig feststellbar, so wäre eine für jede Befristung unerlässliche sichere und zuverlässige Prognose, dass dem Unterhaltsberechtigten durch Unterhaltsleistungen auszugleichende ehebedingte Nachteile nicht verbleiben, erst ab dem Zeitpunkt möglich, ab dem der Unterhaltsberechtigte tatsächlich vollschic...