Leitsatz (amtlich)
Aufhebung Verfahrenskostenhilfebewilligung wegen unterlassener Mitteilungspflicht Ein bedürftiger Beteiligter kann sich im Rahmen des Verfahrens über die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei davon ausgegangen, sein Verfahrensbevollmächtigter werde eine Änderung seiner Wohnanschrift dem Gericht mitteilen. Der Zweck der Mitteilungspflicht, die Erreichbarkeit des bedürftigen Beteiligten durch das Gericht sicherzustellen, kann nur erreicht werden, wenn der bedürftige Beteiligte eingetretene Änderungen selbst mitteilt, aktiv dafür Sorge trägt, dass sein Verfahrensbevollmächtigter eingetretene Änderungen dem Gericht weitergibt oder anderweitig - substantiiert vorzutragende - Maßnahmen trifft, um seine jederzeitige Erreichbarkeit durch das Gericht sicherzustellen.
Normenkette
ZPO § 120a Abs. 2 S. 1, § 124 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
AG Tuttlingen (Beschluss vom 03.12.2018; Aktenzeichen 33 F 605/14) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tuttlingen - Familiengericht - vom 03.12.2018 (Az.: 33 F 605/14) wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RpflG, 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der mit Beschluss vom 14.11.2014 bewilligten Verfahrenskostenhilfe gem. §§ 76 Abs. 1 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO liegen vor. Auf die zutreffenden Ausführungen der Rechtspflegerin in dem angegriffenen Beschluss, dem Nichtabhilfebeschluss vom 17.12.2018 und in ihrem Anschreiben an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 22.10.2018 (Bl. 54/56 d.A.) wird Bezug genommen.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO in der seit dem 01.01.2014 geltenden, hier anwendbaren Fassung, soll das Gericht die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aufheben, wenn der Beteiligte entgegen § 120a Abs. 2 Satz 1 bis Satz 3 ZPO dem Gericht wesentliche Verbesserungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen seiner Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe setzt demnach ein qualifiziertes Verschulden des Beteiligten voraus. Der Maßstab der groben Nachlässigkeit entspricht dem der groben Fahrlässigkeit und liegt vor, wenn der bedürftige Beteiligte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BAG, Beschluss vom 18. August 2016 - 8 AZB 16/16 - 8 Rn. 24, juris). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen gebieten es zwar, die Situation Bemittelter und Unbemittelter im Bereich des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen und Letzteren den Zugang zu den Gerichten nicht unverhältnismäßig zu erschweren. Sie verbieten es jedoch nicht, dem Beteiligten, der Verfahrenskostenhilfe in Anspruch nimmt, aufzuerlegen, den Fortbestand der persönlichen und wirtschaftlichen Bewilligungsvoraussetzungen in redlicher Weise darzulegen, und an ein grob nachlässiges oder unredliches Verhalten eines Beteiligten die Verwirkung des Anspruchs auf Verfahrenskostenhilfe zu knüpfen (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - IV ZB 16/12 - Rn. 30; BAG, a.a.O., Rn. 22).
Der Argumentation der Beschwerde, die Antragsgegnerin habe nicht grob nachlässig gehandelt, kann nicht gefolgt werden. In dem von ihr am 04.08.2014 unterschriebenen Formular über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Antragsgegnerin unter "K" - fettgedruckt und grau unterlegt folgende Erklärung abgegeben:
"Mit ist auch bekannt, dass ich während des Gerichtsverfahrens und innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens verpflichtet bin, dem Gericht wesentliche Verbesserungen meiner wirtschaftlichen Lage oder eine Änderung meiner Anschrift unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen. Bei laufenden Einkünften ist jede nicht nur einmalige Verbesserung von mehr als 100 EUR (brutto) im Monat mitzuteilen... Ich weiß, dass die Bewilligung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bei einem Verstoß gegen diese Pflicht aufgehoben werden kann, und ich dann die gesamten Kosten nachzahlen muss."
Dennoch hat sie in Kenntnis ihrer in dem Formular klar und eindeutig formulierten Obliegenheit mehrfach gegen die aus § 120a Abs. 2 Satz 1 bis Satz 3 ZPO resultierenden Mitteilungspflichten verstoßen, indem sie über mehrere Jahre weder den Wohnungswechsel von der ... in ... in die ... in ... im August 2014, noch den späteren Umzug innerhalb Tuttlingens von der ... in die ... im Juli 2015 dem Gericht mitgeteilt hat. Da beide Umzüge zeitlich im nahen Zusammenhang mit der A...