Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslieferung. menschenunwürdige Unterbringung in dem um die Auslieferung ersuchenden Staat

 

Leitsatz (amtlich)

Die allgemeine Zusicherung des Ministeriums für Justiz der Republik Bulgarien vom 13. August 2015, der zufolge Personen, deren Auslieferung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls und unter einer entsprechenden Bedingung bewilligt wurde, entsprechend Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie den europäischen Mindestnormen untergebracht werden, ist ausreichend. Die vorherige Einholung einer individuellen Zusicherung der bulgarischen Behörden ist insoweit nicht erforderlich. Entbehrlich sind auch weitere Details wie die genaue Angabe der Haftanstalt, in die der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung aufgenommen wird sowie die Beschreibung der konkreten Haftbedingungen.

 

Normenkette

IRG § 73

 

Tenor

  1. Die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Bulgarien zur dortigen Strafvollstreckung ist

    zulässig.

  2. Die Auslieferungshaft hat

    fortzudauern.

  3. Es wird festgestellt, dass die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 18. Februar 2016, keine Bewilligungshindernisse geltend machen zu wollen, rechtsfehlerfrei getroffen ist.
 

Gründe

I.

1. Durch Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) ersuchen die Justizbehörden der Republik Bulgarien um Festnahme und Auslieferung des bulgarischen Staatsangehörigen A. zum Zwecke der Strafvollstreckung. Der Fahndungsausschreibung liegen ein Europäischer Haftbefehl der Regionalen Staatsanwaltschaft Ruse vom 19. November 2015 (Az. 00012/2015) und das Urteil Nr. 3 des Landgerichts Ruse vom 12. Februar 2014 zugrunde, durch welches der Verfolgte wegen Entführung, gesetzwidriger Freiheitsberaubung und Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben (7) Jahren verurteilt wurde, die noch in voller Höhe zu verbüßen ist. Wegen des dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf den Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 18. Januar 2016 Bezug genommen.

2. Der Verfolgte wurde aufgrund der Ausschreibung am 10. Januar 2016 vorläufig festgenommen und am selben Tag einem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts H. vorgeführt, der eine Festhalteanordnung gemäß § 22 Abs. 3 Satz 2 IRG erließ. Bei seiner Vernehmung erklärte der Verfolgte, der den Ermittlungen zufolge in N., ...straße ... wohnen soll, er sei verheiratet und habe ein Kind, das hier zur Schule gehe. Zur Sache gab er an, dass es sich bei der Geschädigten um eine Prostituierte handle. Sie seien vorbeigefahren und hätten beschlossen, mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben. Wahrscheinlich habe das Geld nicht gereicht, weshalb sie ihn vor Gericht gezogen habe. In dem bulgarischen Prozess habe der Gerichtsarzt keine Schäden einer Vergewaltigung finden können. Der Dorfpolizist stecke mit der Geschädigten "unter einer Decke". Der Verfolgte widersprach einer Auslieferung. Auf seinen zugleich geäußerten Wunsch wurde ihm am 3. Februar 2016 der Beistand bestellt.

Der Senat erließ am 18. Januar 2016 Auslieferungshaftbefehl, bei dessen Eröffnung durch einen Haftrichter des Amtsgerichts S. am 2. Februar 2016 der Verfolgte die Angaben der geschädigten Zeugin als Lüge bezeichnete und erklärte, diese habe nach der Gerichtsverhandlung in Bulgarien zugegeben, sie hätte falsche Angaben gemacht. Sie habe jetzt ein schlechtes Gewissen, weil "die anderen 2" zu sieben Jahren Haft verurteilt worden seien. Er sei unschuldig. Die Türen des Autos seien offen gewesen, sie hätte jederzeit fliehen können. Es seien viele Leute auf dem Dorfplatz gewesen. Es habe auch Videoaufzeichnungen gegeben. Die Videos seien aber von der korrupten Polizei gelöscht worden.

Dem Beistand des Verfolgten wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 12. Februar 2016 zu dem Auslieferungsersuchen Stellung zu nehmen und etwaige Einwendungen gegen eine Auslieferung nach Bulgarien vorzubringen. Davon hat der Beistand Gebrauch gemacht. Er wies darauf hin, dass ein Antrag des Verfolgten auf Wiederaufnahme des Verfahrens - wegen der unten dargestellten Umstände - keine Aussicht auf Erfolg haben werde, weshalb er die Auslieferung für unzulässig hält.

3. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart beantragt, die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären und Haftfortdauer anzuordnen. Sie hat am 18. Februar 2016 gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 IRG entschieden, es sei beabsichtigt, die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Bulgarien zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil Nr. 3 des Landgerichts Ruse vom 12. Februar 2014 mit der Maßgabe zu bewilligen, dass der Verfolgte im bulgarischen Justizvollzug durchgehend in einer Justizvollzugsanstalt unterzubringen ist, deren Standards den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention bzw. denen der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze entsprechen.

Ein Bewilligungshindernis gemäß § 83b Abs. 2 Nr. 2 IRG solle nicht geltend gemacht werden, wonach die Bewilligung der Auslieferung eines Ausländers, der im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zum Zwec...

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