Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Fehlende Bedürftigkeit bei Vermögen aus kapitalbildender Lebensversicherung und bestehender Aussicht auf adäquate Altersversorgung durch Sozialversicherung aus abhängiger Beschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
Eine kapitalbildende Lebensversicherung ist bei der Prüfung der Bedürftigkeit im Rahmen des Prozesskostenhilfe-Prüfverfahrens jedenfalls dann nicht als angemessene Altersvorsorge im Schonvermögen zu berücksichtigen, wenn es dem Antragsteller aufgrund seiner persönlichen Umstände möglich ist, eine adäquate Altersvorsorge ohne die Lebensversicherung aufzubauen oder etwa durch ein auf die Lebensversicherung bezogenes Policendarlehen ohne Beeinträchtigung der Altersvorsorge Mittel zum Bestreiten der Prozesskosten aufzubringen.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Nagold (Beschluss vom 20.06.2006; Aktenzeichen F 207/05 UE) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des AG - FamG - Nagold vom 20.6.2006 (Az.: F 207/05 UE) wird dieser Beschluss aufgehoben.
Die vom Beklagten beantragte Prozesskostenhilfe wird ihm verweigert.
Gerichtskosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit am 15.8.2006 beim AG Nagold eingegangener Beschwerde rügt die Staatskasse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den beklagten im Wesentlichen unter Hinweis auf dessen fehlende Bedürftigkeit wegen einer ihm gehörenden Lebensversicherung mit einem Rückkaufwert von 6979,30 EUR.
II. Die sofortige Beschwerde ist nach § 127 Abs. 3 S. 1 und 2 ZPO statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der durch das FamG ausgesprochenen Prozesskostenhilfe -Bewilligung und zur Verweigerung von Prozesskostenhilfe.
Der Beklagte verfügt durch seine bei der Allianz bestehende Lebensversicherung über Vermögen, das er zur Erbringung der Prozesskosten nach § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzen hat. Zwar darf Prozesskostenhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz eines Vermögens, soweit dadurch der Aufbau einer angemessenen Altervorsorge erschwert würde (§§ 115 Abs. 3 S. 2 ZPO, 90 Abs. 3 SGB XII). Anders als in Fällen, in denen die Berücksichtigung des Rückkaufwertes einer Lebensversicherung mit Blick darauf abgelehnt wurde, dass dahinter Beiträge zu einer angemessenen Altersversorgung stecken (etwa OLG Stuttgart v. 17.7.2006 - 16 WF 159/06, OLGReport Stuttgart 2006, 723 = FamRZ 2006, 1850) verfügt vorliegend der Antragsgegner bei festem Arbeitsplatz über ein Jahreseinkommen, das mit rund 41400 EUR deutlich über dem Durchschnittsverdienst aller Versicherten liegt (2005: 29569 EUR; 2006 voraussichtlich 29.304 EUR). Er hat mit seinem Lebensalter von jetzt 40 Jahren auch noch ausreichend Gelegenheit, seine Altersversorgung auszubauen und ist hieran auch nicht etwa durch Kinderbetreuung o.Ä. gehindert. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass eine angemessene Altersvorsorge des Antragsgegners erschwert würde, wenn er den über den Schonbetrag hinausgehenden Teil seiner Lebensversicherung zur Erbringung der Prozesskosten einzusetzen hat. Da die Beiträge des Beklagten zur Alterssicherung aus seinem Bruttoeinkommen erbracht werden, ist es auch nicht - wie das FamG meint - aus Rücksicht auf die (aus dem Nettoeinkommen zu erbringenden und die Altersvorsorge nicht schmälernden) Unterhaltsverpflichtungen des Beklagten geboten, ihm seine Lebensversicherung zur Altersvorsorge zu belassen.
Der Einsatz der Lebensversicherung ist auch nicht aus anderen Gründen unzumutbar. Insbesondere muss der Beklagte diese Lebensversicherung nicht zwingend auflösen, um die erforderlichen Prozesskosten erbringen zu können. Vielmehr besteht die Möglichkeit, auf diese Versicherung ein Policendarlehen aufzunehmen, also ein Darlehen, dessen Rückzahlung erst bei Vertragsablauf der Lebensversicherung fällig würde und bei dem dem Beklagten außer der Zinsbelastung keine Verluste entstehen würden.
Dabei ist, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, von einem Schonvermögen von 1.600 EUR und nicht von einem solchen von 2.600 EUR auszugehen. Dies ergibt sich aus den Regelsätzen des § 1 der nach § 96 SGB XII erlassenen Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII, auf die sich die in § 115 Abs. 3 ZPO enthaltene Verweisung erstreckt (Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 5. Aufl. 2007, Rz. 42 zu § 115; Brühl in Lehr-und Praxiskommentar SGB XII).
Der Rückkaufwert der Lebensversicherung des Beklagten übersteigt damit sein Schonvermögen um rund 5400 EUR, womit er ohne Zweifel die aus einem Streitwert von 3612 EUR resultierenden Kosten tragen kann.
Der Prozesskostenhilfe ohne Raten bewilligende Beschluss des FamG war daher aufzuheben.
Eine Gerichtsgebühr fällt im Beschwerdeverfahren im Falle des Erfolgs des Rechtsmittels nicht an. Außergerichtliche Kosten werden nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
Fundstellen
Haufe-Index 1801192 |
OLGR-Süd 2007, 1036 |