Leitsatz (amtlich)
Die zusätzliche Gebühr der Nr. 4141 RVG entsteht nur, wenn im Zeitpunkt der Revisionsrücknahme konkrete Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass im Fall der Fortführung des Revisionsverfahrens eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre.
Tenor
Die Beschwerde des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt … gegen den Beschluss des Landgerichts … vom … wird als unbegründet
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer war Pflichtverteidiger in dem Strafverfahren vor dem Landgericht …, in dem der damalige Angeklagte am 28. Juli 2006 wegen acht Diebstahlsfällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 3 Monaten verurteilt wurde. Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 01. August 2006 rechtzeitig Revision ein, beantragte gleichzeitig, das angefochtene Urteil aufzuheben und rügte „die Verletzung formellen und materiellen Rechts”. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 08. August 2006 nahm er die Revision zurück und teilte mit, dass ihn sein Mandant nunmehr – seiner Empfehlung folgend – ermächtigt habe, das Rechtsmittelverfahren zu beenden. Das schriftliche Urteil ging drei Wochen später – am 29. August 2006 – bei der Geschäftsstelle des Landgerichts ein. Ebenfalls mit einem Schriftsatz vom 08. August 2006 beantragte der Pflichtverteidiger, die Gebühren und Auslagen für seine Tätigkeit im Revisionsverfahren in Höhe von brutto 1.118,55 EUR festzusetzen. Die darin enthaltene Zusatzgebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 3 VV RVG in Verbindung mit Nr. 4130 VV RVG in Höhe von 412.– EUR netto wurde vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgesetzt. Die dagegen eingelegte Erinnerung des Pflichtverteidigers wurde durch Beschluss des Landgerichts … vom 29. Dezember 2006, der in Dreierbesetzung erging, verworfen. Die dagegen mangels Zustellung in freier Frist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG zulässig eingelegte Beschwerde, über die der Senat gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1 RVG ebenfalls in Dreierbesetzung zu entscheiden hatte, hat in der Sache keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
II.
Die Zusatzgebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VV RVG entsteht, wenn „durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich” wird, weil „sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme … der Revision des Angeklagten … erledigt” hat, wobei eine entsprechende verfahrensfördernde Tätigkeit des Verteidigers „ersichtlich” sein muss.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist streitig, in welches Verfahrensstadium das Revisionsverfahren gelangt sein muss, und ob über die vom Verteidiger beeinflusste Revisionsrücknahme hinaus eine Revisionshauptverhandlung angestanden haben muss, um den Verteidiger mit dieser Zusatzgebühr zu honorieren. Unstreitig besteht der Sinn dieser so genannten Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG darin, eine Hauptverhandlung mit dem damit verbundenen Entlastungseffekt für die Revisionsgerichte zu vermeiden, und den Verteidiger für seine diesbezüglichen Tätigkeiten und für den Verlust der Hauptverhandlungsgebühr zu entschädigen. Bei der Normierung dieses Anliegens hat der Gesetzgeber allerdings nicht bedacht, dass im Revisionsverfahren eine Hauptverhandlung auf die Revision des Angeklagten hin ohnehin nur in ganz seltenen Ausnahmefällen stattfindet.
Dementsprechend soll es für die Entstehung dieser Befriedungsgebühr nach einer weiten Auslegung der Norm genügen, dass die Revision unabhängig vom Stand des Revisionsverfahrens zurück genommen wird und der Verteidiger vorträgt, er habe dies seinem Mandanten empfohlen (so OLG Düsseldorf 1 Ws 288/05 in www.burhoff.de). Danach genügt es, dass die Revision eingelegt und wieder zurück genommen wurde, selbst wenn die Revision nicht einmal begründet worden war.
Andere Obergerichte verlangen, dass die Revision darüber hinaus wenigstens zulässig i. S. d. §§ 344, 345 StPO eingelegt worden sein muss, das heißt auch (wenigstens mit der allgemeinen Sachrüge) begründet worden sein muss (so OLG Braunschweig Ws 25/06; KG Berlin 5 Ws 311/05, 4 Ws 28/06; OLG Hamm 2 Ws 134/06 jeweils in www.burhoff.de; OLG Stuttgart 2 Ws 43/06). Sonst hätte nämlich nicht einmal die theoretische Möglichkeit bestanden, dass eine Revisionshauptverhandlung anberaumt worden wäre, weil die Revision als unzulässig hätte verworfen werden müssen und das Revisionsverfahren in der Regel noch nicht einmal beim Revisionsgericht angelangt wäre.
Der Senat ist demgegenüber mit der wohl überwiegenden Meinung der Obergerichte der Auffassung, dass die Gebühr nach Rücknahme der Revision nur entstehen kann, wenn nicht nur eine zulässig eingelegte – das heißt auch begründete – Revision zurück genommen wurde, sondern darüber hinaus auch konkrete Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass im Falle der Fortführung des Revisionsverfahrens eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre (OLG Zweibrücken 1 Ws 164/05; OLG Saarbrücken 1 Ws 58/06; KG Berlin 4 Ws 57/06; OLG Hamm 4 Ws 144/06 jeweils in www.burhoff.de). Solche Anha...