Leitsatz (amtlich)
1. Der güterrechtliche Ausgleich zwischen Ehegatten, die bei Eheschließung die jugoslawische Staatsangehörigkeit besaßen und mit dem Zerfall des jugoslawischen Staates Staatsangehörigkeiten unterschiedlicher Nachfolgestaaten erworben haben, richtet sich nach der Teilrechtsordnung, mit der die Beteiligten bei der Eheschließung am engsten verbunden waren. Das interlokale Privatrecht des früheren jugoslawischen Gesamtstaats ist für die Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht heranzuziehen.
2. Stellt das internationale Privatrecht des maßgeblichen Nachfolgestaates für die Bestimmung des anwendbaren Rechts mangels gemeinsamer Staatsangehörigkeit auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten ab und befand sich dieser bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung in Deutschland, so ist die Rückverweisung auf das deutsche Sachrecht zu beachten.
Normenkette
EGBGB Art. 15 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, Art. 4 Abs. 1, 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Waiblingen (Beschluss vom 11.07.2014; Aktenzeichen 16 F 187/14) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird - unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde - der Verfahrenskostenhilfe versagende Beschluss des AG - Familiengericht - Waiblingen vom 11.7.2014 abgeändert:
Der Antragstellerin wird Verfahrenskostenhilfe für einen Zahlungsantrag i.H.v. 6.400,04 EUR bewilligt und Rechtsanwalt ...,..., als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.
2. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf 30 EUR ermäßigt.
Gründe
I. Die Antragstellerin verfolgt einen Anspruch auf Zugewinnausgleich und weitere Ausgleichsansprüche gegen den Antragsgegner.
Die Beteiligten haben am ... 1982 in dem Generalkonsulat der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien in Stuttgart die Ehe geschlossen. Bei Eheschließung besaßen beide Ehegatten die jugoslawische Staatsangehörigkeit. Nach Auflösung der Republik Jugoslawien erhielt die Antragstellerin die bosnische Staatsangehörigkeit und der Antragsgegner die Staatsangehörigkeiten von Serbien und Montenegro. Beide Ehegatten erwarben später die deutsche Staatsangehörigkeit. Während die Antragstellerin daneben ihre bisherige Staatsangehörigkeit beibehielt, wurde der in Belgrad geborene Antragsgegner mit den gemeinsamen Kindern ..., geb. am ..., und ..., geb. am ..., im Jahre 2004 aus den Staatsangehörigkeiten von Serbien und Montenegro entlassen. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 22.9.2009 zugestellt. Die Ehe der Beteiligten wurde am 9.6.2010 rechtskräftig geschieden.
Die Antragstellerin hat während der Ehe keinen Zugewinn erzielt. Der Antragsgegner besaß bei Zustellung des Scheidungsantrags zwei Lebensversicherungen bei der Allianz mit Rückkaufswerten von 5.895,37 EUR (Nr. [1]) und von 1.962,81 EUR (Nr. [2]) sowie Rückkaufswerten aus der Überschussbeteiligung von 728,30 EUR und 209,72 EUR. Über seinen Arbeitgeber Firma A GmbH verfügte der Antragsgegner daneben über vier weitere Lebensversicherungen (Nr. [3], Nr. [4], Nr. [5], Nr. [6]) mit unbekannten Rückkaufswerten. Nach ihrer Trennung im Jahre 2004 haben die Beteiligten am 22.7.2005 einen Kredit über 8.000 EUR bei der Landesbank Baden-Württemberg (Nr. [7]) aufgenommen, der der Finanzierung eines von dem Antragsgegner genutzten Pkw ... diente. Die Gesamtleistung von 10.073,25 EUR sollte in 59 Monatsraten zu jeweils 170 EUR und einer Schlussrate von 43,25 EUR zurückbezahlt werden.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Zugewinnausgleich in Höhe der Hälfte der Rückkaufswerte der Lebensversicherungen zu. Soweit die Rückkaufswerte bekannt sind, geht sie von einem Zugewinnausgleichsforderung i.H.v. 4.398,14 EUR aus und im Übrigen von mindestens weiteren 7.500 EUR. Darüber hinaus hält die Antragstellerin einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich oder einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch i.H.v. 5.938,50 EUR aus eigenem oder abgetretenem Recht ihrer Tochter für gegeben.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Familiengerichts Waiblingen ist gem. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig und teilweise begründet.
Nachdem die Antragstellerin bedürftig ist, ist ihr Verfahrenskostenhilfe insoweit zu bewilligen, als ihre Rechtsverfolgung Erfolgsaussichten verspricht (§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO). Dies ist hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Zugewinnausgleich teilweise der Fall.
1. Der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Zugewinnausgleich gegen den Antragsgegner zu, der sich aus § 1378 Abs. 1 BGB ergibt.
a) Der Zugewinnausgleichsanspruch der Antragstellerin beurteilt sich nach deutschem materiellen Recht.
aa) Nach Art. 220 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 2, Art. 15 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe in erster Linie dem Recht des Staates, dem die Ehegatten bei Eheschließung angehörten. Das Güterrechtsstatut ist unwandelbar (Palandt/Thorn, BGB, 74. Aufl. 2015, Art. 1...