Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 02.12.2010; Aktenzeichen 7 KLs 3 Js 81890/08) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nr. 1 des Beschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 2. Dezember 2010 wird als unzulässig
v e r w o r f e n .
2. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nr. 2 des vorgenannten Beschlusses wird als unbegründet
v e r w o r f e n .
3. Die Kosten der Rechtsmittel sowie die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Die Angeklagten ..., ... und ... befanden sich - ... seit 3. Februar 2010, ... und ... seit 4. Februar 2010 - bis 2. Dezember 2010 in dieser Sache ununterbrochen in Untersuchungshaft. Ihnen wird u.a. die Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß §§ 129 Abs.1, 109h Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB zur Last gelegt. Gegen die drei Angeklagten hat seit dem 25. Oktober 2010 vor dem Landgericht Stuttgart - Staatsschutzkammer - die Hauptverhandlung stattgefunden.
Mit Beschluss vom 2. Dezember 2010 hat die Strafkammer das Verfahren gemäß § 265 Abs. 4 StPO ausgesetzt und die Haftbefehle des Amtsgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2010 (28 Gs 74/10 bzgl. ..., 28 Gs 75/10 bzgl. ... und 28 Gs 104/10 bzgl. ...) aufgehoben. Die Strafkammer hat den Aussetzungsbeschluss damit begründet, dass in Anbetracht der nachgereichten Aktenteile, insbesondere der umfangreichen TKÜ-Protokolle eine so veränderte Sach- und Verfahrenslage vorliege, dass die Aussetzung zur genügenden Vorbereitung der Verteidigung unter dem Gesichtspunkt des Anspruches auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren notwendig sei. Zudem beabsichtige die Kammer, den Ausgang eines laufenden Rechtshilfeersuchens an die Vereinigten Staaten von Amerika bzgl. der Übermittlung von E-Mails, die über die E-Mail-Konten der Angeklagten bzw. von Mitbeschuldigten versendet oder empfangen wurden, abzuwarten. Letztlich wolle die Kammer den Leiter des ...-Instituts in Ä., Herrn ... zur Situation am Institut, zu den Lehrinhalten und den behaupteten Aktivitäten im Umfeld des Instituts gemäß § 223 StPO als Zeuge durch das zuständige Gericht in Ä. vernehmen lassen. Im Hinblick auf die vorgenannten Aussetzungsgründe und den Umstand, dass ein erstinstanzliches Urteil in der vorliegenden Sache nicht vor Mitte des Jahres 2012 möglich sein werde, hat die Kammer die Haftbefehle gegen die Angeklagten aufgehoben, da der weitere Fortbestand der Haftbefehle nicht mehr verhältnismäßig sei.
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Aus-setzungsentscheidung der Strafkammer sowie die Aufhebung der Haftbefehle gegen die Angeklagten.
II.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft bleibt bei beiden Beschwerdezielen ohne Erfolg.
1.
Die Beschwerde gegen die Aussetzung der Hauptverhandlung ist unzulässig, denn nach § 305 Satz 1 StPO unterliegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen und nicht zu den Ausnahmen des § 305 Satz 2 StPO gehören, nicht der Beschwerde.
Eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung liegt vor, wenn sie in einem inneren Zusammenhang mit dem Urteil steht, ausschließlich seiner Vorbereitung dient und keine weiteren Verfahrenswirkungen erzeugt. Diese Voraussetzungen sind allerdings nicht nur bei solchen Maßnahmen gegeben, die unmittelbar Grundlagen für die Entscheidung in der Sache selbst schaffen sollen; auch Anordnungen, die darauf abzielen, die Abwicklung des Verfahrens in sonstiger Weise zu fördern und es der abschließenden Sachentscheidung näher zu bringen, weisen einen inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung auf, der zum Ausschluss der Anfechtbarkeit führt (OLG Dresden 1 Ws 310/07; KG Berlin 4 Ws 69/01 - beide zitiert nach Juris -).
1.1.
Nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, ist bei der Frage, ob die Aussetzung der Hauptverhandlung unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze anfechtbar ist, deshalb darauf abzustellen, ob sie aus einem triftigen Grund angeordnet worden ist, der in den Verfahrensvorschriften eine Stütze findet und im engen inneren Zusammenhang mit dem zu erlassenden Urteil steht. Ausschließlich dann, wenn offensichtlich erkennbar ist, dass mit der Aussetzung ausschließlich sachfremde Zwecke verfolgte werden, ist die Beschwerde zulässig (OLG Dresden aaO.; KG Berlin aaO.; OLG Karlsruhe NStZ 1985, 277 f.; LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 228 Rdnr. 40; a.A. KK-Engelhardt, StPO, 6. Aufl., § 305 Rdnr. 7 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall steht die Aussetzung der Hauptverhandlung in einem inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung und geht ihr im Sinn des § 305 Satz 1 StPO voraus. Die Strafkammer hat, wie sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergibt (vgl. dort S. 5), das Verfahren wegen veränderter Sachlage nach § 265 Abs. 4 StPO ausgesetzt. Die Aussetzung ist damit nach ihrer grundsätzlichen Zielrichtung ausschließlich dazu bestimmt, der weiteren Sachaufklärung oder besseren Vorbereitung des Verfahrens zu dienen. Es ist somit nicht erkennbar, dass die Aussetzung ausschließlich aus...