Leitsatz (amtlich)
1. Das Fehlen der nach § 130 Abs. 1 AktG nötigen Unterschrift des Notars bzw. des Aufsichtsratsvorsitzenden führt - auch bei der "Ein-Mann-AG" - zur Nichtigkeit nach § 241 Nr. 2 AktG.
2. An dieser Nichtigkeit ändert sich nichts durch die Nachholung einer solchen Unterschrift, wenn zuvor monate- oder gar jahrelang von dem Notar bzw. dem Aufsichtsratsvorsitzenden die Unterzeichnung bewusst unterlassen worden ist und sich die Erstellung der Niederschrift und deren Unterzeichnung dementsprechend nicht mehr innerhalb eines einheitlichen Beurkundungsvorgangs halten.
3. Hat die Alleinaktionärin nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG zurückzugewährende Dividendenzahlungen erhalten, so kommt eine Befreiung nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG nur unter strengen Anforderungen in Betracht.
4. Erfolgt die Zahlung des späteren Insolvenzschuldners auf eine Vereinbarung, die dem Insolvenzschuldner Anspruch auf eine Gegenleistung gibt, die sodann gemäß der zumindest bereits im Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung jedoch nicht erbracht wird, so ist die Zahlung unentgeltlich i.S.v. § 134 Abs. 1 InsO geleistet und bei Vorliegen der weiteren in dieser Vorschrift aufgestellten Voraussetzungen insolvenzrechtlich anfechtbar. Für den Umstand, dass die nach der der Zahlung zugrunde liegenden Vereinbarung an den späteren Insolvenzschuldner geschuldete Gegenleistung an diesen vereinbarungsgemäß nicht erbracht worden ist, trifft zwar den Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast; soweit freilich - was regelmäßig gerade für die Frage der Fall ist, ob die Gegenleistung vereinbarungsgemäß nicht erbracht worden ist - die Entscheidung auch auf indiziellen Umständen aus dem Bereich des Anfechtungsgegners beruht, trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast, die bis zur Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu dessen Lasten führen kann.
Normenkette
AktG § 130 Abs. 1; InsO § 134 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Ellwangen (Urteil vom 15.07.2013; Aktenzeichen 10 O 79/12) |
Tenor
1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Ellwangen vom 15.7.2013 - 10 O 79/12 - gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls auch zur Zurücknahme der Berufung bis 12.2.2014.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 87.018 EUR
Gründe
Die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO) sind erfüllt.
A. Der Kläger nimmt als lnsolvenzverwalter über das Vermögen der E. AG (im Folgenden: Schuldnerin) die Beklagte, die Alleinaktionärin der Schuldnerin ist, auf Rückerstattung von Zahlungen in Anspruch, die die Beklagte von der Schuldnerin erhalten hatte.
Insolvenzantrag über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 11.2.2010 gestellt (Anlage K 2). Mit Beschluss des AG H. vom 30.7.2010 - AZ - wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum lnsolvenzverwalter bestellt (Anlage K 1).
Vorstände der Schuldnerin waren im erheblichen Zeitraum D. S. jun. und H. S., Aufsichtsräte u.a. G. S. - der Aufsichtsratsvorsitzende - und D. S. sen. (vgl. den als Anlage K 3 vorgelegten Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31.12.2008, dort Blatt 5). Kommanditisten der Beklagten sind bzw. waren u.a. G. S., H. S., D. S. jun. und D. S. sen., Komplementärin der Beklagten ist die M ... GmbH (vgl. den als Anlage K 4 vorgelegten Handelsregisterauszug), deren Gesellschafter zu einer Beteiligung von jeweils 1/4 am Kapital u.a. G. S., H. S. und D. S. jun. sind (vgl. die als Anlage K 5 vorgelegte Liste der Gesellschafter) und deren Geschäftsführer G. S. ist.
Die Schuldnerin organisierte u.a. den Aufbau von Musterküchen für die Fa.A.. Grundlage war ein jeweils ein Jahr gültiger und halbjährlich zum Ablauf der Jahresfrist kündbarer Dienstleistungsvertrag. Dieser Vertrag wurde von der Fa.A. am 25.6.2008 zum 31.12.2008 gekündigt, am 4.11.2008 jedoch verlängert bis zum 30.6.2009 und am 19.5.2009 nochmals und letztmalig bis zum 30.9.2009. Ab dem 1.1.2009 übernahm die neu gegründete E. GmbH den Geschäftsbereich der Musterküchen von der Schuldnerin. Deren Geschäftsführer war D. S. sen., faktischer Geschäftsführer D. S. jun. Nach dem 30.9.2009 endete die Zusammenarbeit zwischen der E. GmbH und der Fa.A. endgültig.
Im Protokoll der Hauptversammlung der Schuldnerin vom 28.8.2007 (AnIage B 2) findet sich eine einstimmige und von dem als Leiter der Hauptversammlung fungierenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten festgestellte und verkündete Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2006, wonach eine Bruttodividende i.H.v. 190.000 EUR ausgeschüttet werde. Im Protokoll der Hauptversammlung der Schuldnerin vom 26.11.2008 findet sich eine einstimmige und von dem als Leiter der Hauptversammlung fungierenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten festgestellte und verkündete Beschlussfassung, wonach die Höhe der sich nach dem Beschlu...