Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrwertsteuer bei Streitgenossen. Schadensersatz aus Verkehrsunfall. Kostenfestsetzung und Mehrwertsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Mehrwertsteuer, die obsiegende Streitgenossen ihrem gemeinsamen Rechtsanwalt schulden, ist in voller Höhe – und nicht nur anteilig erstattungsfähig, wenn der nicht zum Vorsteuerabzug Berechtigte (hier Pflichthaftpflichtversicherer) kraft gesetzlicher Bestimmung im Innenverhältnis allein zur Kostentragung verpflichtet ist (Teil-Abweichung vom Senatsbeschluss vom 28.7.1995 – 8 W 148/94 – Die Justiz 1996 15 = RPfl 1996 82).
Normenkette
ZPO §§ 91, 100; BRAGO § 25 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Tübingen (Aktenzeichen 2 O 21/98) |
Gründe
Aus den Gründen:
1. Der Kläger hat den Fahrer (Beklagten Ziff. 1), ein Omnibus-Verkehrsunternehmen als Halterin (Beklagte Ziff. 2) und die Haftpflichtversicherung der Halterin (Beklagte Ziff. 3) auf; Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch genommen. Die Beklagten haben sich durch einen Anwalt vertreten lassen und überwiegend im gleichen Umfange obsiegt. Nur die Beklagte Ziff. 2 ist vorsteuerabzugsberechtigt. Die Rechtspflegerin hat unter Bezugnahme auf die Senatsentscheidung vom 28.7.1995 (Die Justiz 1996, 15 = RPfleger 1996, 82) nur 2/3 der geltend gemachten Mehrwertsteuer festgesetzt. Dagegen wendet sich der Beklagtenvertreter mit der Begründung, die nicht vorsteuerabzugsberechtigte Haftpflichtversicherung (Beklagte Ziff. 3) müsse im Innenverhältnis kraft Gesetzes alle Verfahrenskosten tragen, so dass hier eine Kürzung der Mehrwertsteuer nicht gerechtfertigt sei.
2. Das zulässige Kostenrechtsmittel der Beklagtenseite hat in der Sache Erfolg.
Dabei versteht der Senat die vom gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten eingelegte Beschwerde dahin, dass sich die Beklagte Ziff. 2 gegen die Kürzung der Mehrwertsteuer wendet, weil sie hier trotz ihrer bestehenden Vorsteuerabzugsberechtigung wegen der alleinigen Kostentragungspflicht der Beklagten Ziff. 3 konkret keine (anteilige) Vorsteuer in Abzug bringen kann.
Der Senat hat in der oben genannten Entscheidung ausgeführt, dass im Fall der Streitgenossenschaft für die Kostenerstattung auf deren Innenverhältnis abzustellen ist und dass Vereinbarungen, welche die gesetzliche Regelung des Innenverhältnisses modifizieren, außer Betracht zu bleiben haben. An dieser Rechtsansicht hält der Senat grundsätzlich fest, zieht aber daraus für den vorliegenden Fall – der dem damals beschiedenen Sachverhalt entsprochen hat – abweichende Folgerungen.
Die Maßgeblichkeit des Innenverhältnisses führt hier – abweichend vom Ergebnis der genannten Senatsentscheidung – jedenfalls dann, wenn die Streitgenossen einheitlich obsiegen, dazu, dass die gesamte Mehrwertsteuer erstattungsfähig ist. Denn die Versicherung erstreckt sich auf die Rechtsstreitskosten (§ 150 Abs. 1 S. 1 VVG) und das Innenverhältnis unter den drei Beklagten ist durch § 3 Nr. 2 und 9 PflVersG so geregelt ist, dass grundsätzlich die Haftpflichtversicherung die gesamten Kosten zu tragen hat und nur ausnahmsweise, nämlich bei Regressfällen, eine Kostentragung durch Halter oder Fahrer in Betracht kommt. Ist das Innenverhältnis unter mehreren Schuldnern gesetzlich so geregelt, dass die Vermutung des § 426 Abs. 1 BGB – gleiche Anteile nach „Köpfen” – nicht eingreifen kann, ist es geboten, diese abweichende Bestimmung zugrunde zu legen und nicht eine fiktive Kopfteil-Regelung anzuwenden (so überzeugend KG NJW-RR 1998, 860 = JurBüro 1998, 197 = VersR 1999, 464 = AnwBl. 1999, 179; vgl. auch OLG Karlsruhe Die Justiz 2000, 315 = RPfl 2000, 240; LG Berlin JurBüro 1997, 428).
Demgemäß modifiziert der Senat insoweit seine bisherige Rechtsprechung für den Fall der Beteiligung einer gesetzlich kostentragungspflichtigen Haftpflichtversicherung mit der Folge, dass der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss abzuändern und die anteilige Mehrwertsteuer noch ergänzend festzusetzen war.
Der Leitsatz der oben genannten (Senats-)Entscheidung: „Die Mehrwertsteuer, welche Streitgenossen ihrem gemeinsamen Rechtsanwalt schulden, ist erstattungsfähig, soweit sie im Innenverhältnis von demjenigen zu tragen ist, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind”, behält jedoch für sonstige Fälle von Streitgenossenschaft seine Gültigkeit (ebenso KG aaO; OLG Karlsruhe aaO).
Fundstellen
Haufe-Index 625053 |
Rpfleger 2001, 566 |
VRA 2001, 163 |
OLGR-KS 2001, 390 |
www.judicialis.de 2001 |