Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 28.11.2022; Aktenzeichen 2 O 429/20) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 28.11.2022, Az. 2 O 429/20, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
3. Der auf Donnerstag, 13.07.2023, 14.00 Uhr, anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung der Beklagten wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Pferdekaufvertrags und den Ersatz der für die Versorgung des Pferdes bereits entstandenen und noch weiter entstehenden Kosten.
Das Landgericht hat die Klage für zulässig erachtet und ihr ganz überwiegend (bis auf einen Betrag von 171,27 EUR) stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
1. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 9.000,00 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 440, 326 Abs. 5, 323 BGB.
Zwischen den Parteien sei am 29.10.2019 ein Kaufvertrag über das Pferd "F." geschlossen worden.
Der Wallach sei mangels Eignung als Reitpferd bei Übergabe mangelhaft gewesen. Die Parteien hätten gem. § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ausdrücklich oder zumindest stillschweigend die Eignung des Wallachs als Reitpferd vereinbart.
Hinsichtlich des vertraglichen Gewährleistungsausschlusses (in § 7 des Vertrags) bestünden bereits Zweifel an der Wirksamkeit, nachdem bei der Klägerin angesichts der Vertragsanbahnung nachvollziehbar der Eindruck entstanden sei, dass die Beklagte gewerblich als Unternehmerin handele. Dies könne jedoch letztlich dahinstehen, da der vertragliche Gewährleistungsausschluss jedenfalls dahin auszulegen sei, dass er sich nicht auf die zwischen den Parteien vereinbarte Sollbeschaffenheit des streitgegenständlichen Wallachs als Reitpferd erstrecke.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Klägerin nachgewiesen, dass der Wallach bei Übergabe für die Verwendung als Reitpferd ungeeignet gewesen sei. Er trage reinerbig die Genvariante PSSM, Typ 2 - P4 (Polysaccharide Storage Myopathy, im Folgenden nur: PSSM2-P4) und damit ein reinerbig höheres Risiko für eine myofibriläre Myopathie, eine Muskelfasererkrankung, die durch eine weniger als normal belastbare Muskulatur gekennzeichnet sei, in sich. Allein die genetische Disposition für eine Erkrankung genüge zwar grundsätzlich nicht, um einen Mangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB anzunehmen. Vorliegend sei im Einzelnen unklar, wann sich bei dem streitgegenständlichen Wallach erstmals klinische Symptome einer myofibrilären Myopathie manifestiert hätten. Nach der Beweisaufnahme sei jedoch davon auszugehen, dass sich das Pferd jedenfalls bereits bei Übergabe in einem Zustand befunden habe, auf Grund dessen zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit bestanden habe, dass es aufgrund des Gendefekts alsbald Muskulaturprobleme (rasche Ermüdung, Schmerzen in besonders beanspruchten Muskelgruppen, Gangstörungen, ungewöhnliches Schwitzen und druckschmerzhafte Muskulatur sowie evtl. Muskelverhärtungen) zeige, durch die es für die bestimmungsgemäße Nutzung als Reitpferd ungeeignet sei. Diese hohe Wahrscheinlichkeit habe sich bei dem Wallach auch bald nach Übergabe entsprechend realisiert.
Aufgrund der nicht reversiblen Erkrankung des Wallachs sei eine Nachfristsetzung gem. § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich gewesen; eine vollständige Behebung des Mangels sei ausgeschlossen. Auch eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung sei vorliegend unmöglich gewesen.
Die Klägerin habe den Rücktritt mit Anwaltsschreiben vom 28.08.2020 gemäß § 349 BGB wirksam erklärt. § 351 BGB stehe dem nicht entgegen; der Zeuge K., der ebenfalls Vertragspartner gewesen sei, habe am 27.08.2020 "alle [ihm] im Zusammenhang mit dem Kauf des Pferds zustehenden Ansprüche", darunter auch das Rücktrittsrecht, an die Klägerin schriftlich abgetreten.
Die weitergehenden Ansprüche der Klägerin auf Erstattung von insgesamt 8.542,14 EUR für Unterstellkosten für den Zeitraum Oktober 2019 bis Oktober 2020 (5.060,00 EUR), für Kosten für tierärztliche Behandlungen (3.202,18 EUR) und den Hufbeschlag (279,96EUR) seien als notwendige Verwendungen gem. 347 Abs. 2 BGB gerechtfertigt. Der Klägerin stehe damit ein Gesamtzahlungsanspruch in Höhe von 17.542,14 EUR zu. Lediglich i.H.v. 171,27 EUR sei der Klageantrag Ziff. 1 unbegründet.
Ein Abzug für gezogene Nutzungen gem. § 346 Abs. 1 BGB finde nicht statt. Aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. G. folge, dass die Nutzbarkeit des Wallachs als Reitpferd aufgrund der vorliegenden Erkrankung massiv eingeschränkt sei. Dies entspreche auch den Schilderungen der Klägerin und des Zeugen K..
Auch der Klageantrag Ziff. 2 sei begründet. Die Beklagte befinde sich mit der Rücknahme des Wallachs gem. § 293 BGB im Annahmeverzug.
Der Feststellungsantrag Ziff. 3 sei ebenfalls begründet. Der Anspruch ergebe sich aus § 347 Abs. 2...