Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 15.06.2016) |
LG Stuttgart (Beschluss vom 18.04.2016) |
Tenor
Auf die sofortigen Beschwerden der Klägerin werden die Beschlüsse der 2. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 18.04.2016 und vom 15.06.2016 abgeändert. Die Ablehnungsgesuche der Klägerin gegen Vorsitzende Richterin am LG. werden für begründet erklärt.
Gründe
Die sofortigen Beschwerden der Klägerin sind zulässig und begründet.
I. Ein Ablehnungsgrund nach § 42 Abs. 2 ZPO liegt vor, wenn aus der Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Dafür genügt es, dass die Umstände geeignet sind, der Partei Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben, da es bei den Vorschriften der Befangenheit von Richtern darum geht, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden. Die Vorschriften dienen zugleich der Verwirklichung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs der Parteien, nicht vor einem Richter stehen zu müssen, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt (BGH, NJW 2012, 1890 Rn. 10).
II. Umstände, welche jedenfalls den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit tragen, sind von der Klägerin glaubhaft gemacht worden.
II. Der vom LG auf den 18.02.2016 bestimmte Verhandlungstermin fand nicht statt, obwohl die als Klägervertreterin auftretende Rechtsreferendarin aufgrund ihrer Bestellung durch die Rechtsanwaltskammer des Saarlandes postulationsfähig war (§ 53 Abs. 7 BRAO) und damit prozessrechtlich kein Hindernis bestand, streitig zur Sache zu verhandeln. Erhebliche Gründe, welche gemäß § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Vertagung einer Verhandlung erforderlich sind, lagen folglich nicht vor.
II. Der Umstand, dass sich die von der abgelehnten Richterin beschlossene Vertagung als fehlerhaft erweist, begründet allerdings für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit nicht. Es ist nicht zu beanstanden, dass die abgelehnte Richterin zunächst eine nähere Prüfung der Postulationsfähigkeit für erforderlich hielt, bevor sie in die Verhandlung zur Güte und die streitige Verhandlung zur Sache eintrat, zumal die Vertretung von Rechtsanwälten durch Rechtreferendare im Verfahren vor dem LG jedenfalls im hiesigen Bezirk nicht üblich ist. Die Klägerin hat aber glaubhaft gemacht, dass die abgelehnte Richterin bei ihrer Entscheidung, die Verhandlung zu vertagen, den Eindruck erweckt hat, der Klägerin nicht gänzlich unvoreingenommen gegenüber zu stehen.
Angesichts des Umstands, dass die Klägerin und ihre Terminsvertreterin eine Anreise von etwa drei Stunden zurückgelegt hatten, war es geboten, die Durchführung des anberaumten Verhandlungstermins nicht vorschnell aufzugeben. Dem wurde die anberaumte Vertagung nicht gerecht. Zwar bringt die abgelehnte Richterin in ihrer dienstlichen Stellungnahme vor, sie habe eine Durchführung des Termins in zwei Stunden angeboten, womit weder die Klägervertreterin noch der Beklagtenvertreter "wirklich einverstanden" gewesen seien. Abgesehen davon, dass sich dieses Angebot einer Terminsverlegung am selben Tag nicht aus dem Verhandlungsprotokoll ergibt und auch aus der dienstlichen Äußerung nicht nachvollziehbar wird, wie sich denn nun die Parteien und Parteivertreter zu diesem Vorschlag erklärt haben sollen, ist auch nicht zu ersehen, weshalb die Prüfung der Postulationsfähigkeit zwei Stunden hätte in Anspruch nehmen sollen. Denn zum einen wurde die maßgebliche Vorschrift des § 53 BRAO in der Bestellungsurkunde der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes zitiert, zum anderen hatte nach dem Vorbringen der Klägerin - zu welchem sich die abgelehnte Richterin in ihrer dienstlichen Stellungnahme gar nicht erklärt hat - auch der Beklagtenvertreter bestätigt, dass Rechtsreferendare vor den LGen aufgrund ihrer Bestellung als Vertreter postulationsfähig sein können. Zur Vermeidung des Anscheins, den Interessen der Klägerin nicht unvoreingenommen entgegenzustehen, hätte daher eine kurze Unterbrechung der Sitzung stattfinden können und müssen, um in die Prüfung der Postulationsfähigkeit zumindest einmal einzusteigen. Hätte sich die Prüfung dann als aufwendig herausgestellt, so hätte immer noch vertagt werden können.
Nachdem die abgelehnte Richterin nach dem Vorbringen der Klägerin, welchem die dienstliche Stellungnahme insoweit nicht entgegen getreten ist, auf den Hinweis der Hin- und Rückreisezeit von jeweils rund drei Stunden mit "Na und?" reagiert hat, ist der Anschein mangelnder Unparteilichkeit gegeben.
III. Erweist sich bereits das erste Ablehnungsgesuch der Klägerin als begründet, so liegen auch im Hinblick auf das zweite Gesuch Ablehnungsgründe vor, weil die Gründe des ersten Antrags fortwirken. Auf die Frage, ob - wie behauptet - die dienstliche Stellungnahme der abgelehnten Richterin zu dem ersten Ablehnungsantrag wahrheitswidrig gewesen ist, kommt es dabei nicht an.
IV. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst,...