Leitsatz (amtlich)
Reisekosten eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Wahlverteidigers sind als notwendige Auslagen eines Beteiligten gemäß §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten, wenn sich der frühere Angeklagte einem schwerwiegenden Tatvorwurf gegenüber sah, der auch massiv beruflich und wirtschaftlich in seine Existenz eingreifen konnte. Eine Erstattung dieser Kosten ist vorliegend auch deshalb vorzunehmen, weil die Wahlverteidigerin gemäß § 142 StPO als Pflichtverteidigerin hätte bestellt werden können und in diesem Fall die Mehrkosten ihrer auswärtigen Residenz jedenfalls ersetzt bekommen hätte.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 14.06.2017; Aktenzeichen 13 KLs 159 Js 69207/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des früheren Angeklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 14. Juni 2017 insoweit
aufgehoben,
als darin der Antrag auf Erstattung von Reisekosten, Abwesenheitsgeld und Kosten für Übernachtungen des Verteidigers teilweise zurückgewiesen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren, auch zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht Stuttgart zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert wird auf € 19.235 festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. März 2016, rechtskräftig seit 28. Juli 2016, wurde der Beschwerdeführer vom Vorwurf der Marktmanipulation freigesprochen.
Entsprechend der Kostengrundentscheidung macht der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Ersatz der notwendigen Auslagen gegen die Staatskasse geltend.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Juni 2017 erfolgte eine Festsetzung zu erstattender Auslagen in Höhe von 33.651,12 Euro einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von 5.372,87 Euro. Hierbei wurden fiktive Reisekosten für die - in Düsseldorf ansässige - Rechtsanwältin des Beschwerdeführers in Höhe von 1.519,60 Euro berücksichtigt.
Gegen den am 26. Juni 2017 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben seiner Verteidigerin, Frau ..., vom 28. Juni 2017, eingegangen bei Gericht am 3. Juli 2017, sofortige Beschwerde eingelegt, die mit Schriftsatz vom 17. Juli 2017 begründet wurde. Er begehrt die Erstattung von Mehrkosten (Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld und sonstige Auslagen), die durch die Beauftragung seiner nicht am Gerichtsort ansässigen Verteidigerin entstanden sind.
II.
Nach § 464b Satz 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, wobei sich das Beschwerdeverfahren nach den Grundsätzen der StPO richtet (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage, § 464b Rn. 6). Der Senat entscheidet über die sofortige Beschwerde gemäß § 122 Abs. 1 GVG auch im Kostenfestsetzungsverfahren in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden (OLG Rostock, Beschluss vom 18. Januar 2017, 20 Ws 21/17, [...] Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 21. April 2016, 1 Ws 187/16, [...] Rn. 6; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2012, 160, [...] Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464b Rn. 7).
Das zulässige Rechtsmittel ist auch begründet.
Zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO gehören die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der - wie vorliegend - nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und dort auch nicht wohnt, sind nur insoweit von der Staatskasse zu erstatten, als dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, 91 Abs. 2 S. 1 ZPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, § 464a Rn. 12).
Grundsätzlich macht allein weder das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zu einem auswärtigen Rechtsanwalt noch die ständige Zusammenarbeit mit diesem dessen Hinzuziehung notwendig (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007, VII ZB 93/06, [...] Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.). Allerdings sind in einem Strafverfahren die Mehrkosten eines auswärtigen Wahlverteidigers jedenfalls dann zu erstatten, wenn sich der frühere Angeklagte einem schwerwiegenden Tatvorwurf gegenüber sah, der auch massiv beruflich und wirtschaftlich in seine Existenz eingreifen konnte (OLG Naumburg, Beschluss vom 17. Oktober 2008, 1 Ws 307/08, [...] Rn. 4). Dies ist vorliegend der Fall. Dem früheren Angeklagten war in seiner Funktion als Vorstand Finanzen und Betriebswirtschaft der ... ein Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation vorgeworfen worden. Ungeachtet der Aufmerksamkeit, die diesem Verfahren und dem früheren Angeklagten durch die Medien entgegengebracht wurde, hätte eine Verurteilung auch erhebliche Folgen für den Beschwerdeführer mit sich gebracht. Darüber hinaus war seine Verteidigerin, Frau ..., bereits im Jahr 2009 während des Ermittlungsverfahrens für ihn tätig und daher bei Eröffnung des Hauptverfahrens im August 2014 bereits lange mit dem Fall vertraut.
Für die Erstattung der Kosten des ...