Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen für ein Ersuchen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) um Auskunft über Kontostammdaten zur Aufklärung der Vermögensverhältnisse des Beschuldigten im Strafverfahren.
Normenkette
KWG § 24c Abs. 3 S. 1 Nr. 2; StPO § 161 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 12.12.2014; Aktenzeichen 39 Ns 8 Js 100813/12) |
AG Stuttgart (Aktenzeichen 8 Js 100813/12) |
Tenor
Die Beschwerden der Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2014 werden als unbegründet
verworfen.
Die Verurteilten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Stuttgart verhängte gegen die Verurteilten im ersten Rechtszug jeweils eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30 € wegen Hausfriedensbruchs. Das Amtsgericht stellte bei beiden Verurteilten fest, dass sie Angestellte seien. Über ihre Einkommensverhältnisse trifft das Urteil keine Feststellungen. Die Verurteilten legten gegen dieses Urteil Berufung ein. Zur Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung ersuchte der Vorsitzende der mit dem Berufungsverfahren befassten Strafkammer die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) um Auskunft über die Kontostammdaten der Verurteilten (§ 24c Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG). Auf Grundlage der übermittelten Kontostammdaten holte er bei den kontoführenden Kreditinstituten Kopien der Kontoeröffnungsunterlagen und Kontoauszüge für das Jahr 2014 ein. Die von den Kreditinstituten erteilten Auskünfte wurden zur Akte genommen. Mit Urteil vom 14. November 2014 verwarf das Landgericht die Berufungen der Verurteilten als unbegründet. Die Verurteilten nahmen ihre Revisionen gegen das Urteil zwischenzeitlich zurück.
Die Verurteilten haben in der Berufungshauptverhandlung am 13. November 2014 der Verwertung der eingeholten Auskünfte widersprochen und weiter beantragt,
die Auskünfte über ihre Bankkonten und Kontobewegungen aus der Gerichtsakte zu entfernen und entweder den jeweils betroffenen Verurteilten auszuhändigen oder zu vernichten. Diese Anträge hat das Landgericht mit Beschluss vom 12. Dezember 2014 abgelehnt. Hiergegen richten sich die Beschwerden der Verurteilten, denen das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II.
1. Die Beschwerden sind zulässig. Die angefochtene Entscheidung ist nicht gemäß § 305 Satz 1 StPO von der Beschwerdemöglichkeit ausgenommen. Die Verurteilten stellten die Anträge zwar innerhalb der Hauptverhandlung. Ihre Rechtsmittel richten sich jedoch nicht gegen die Anordnung der Beweiserhebung, die als eine der Urteilsfällig vorausgehende Entscheidung vom Beschwerderecht ausgenommen ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 221 Rn. 3). Die mit den Beschwerden erstrebte Entfernung der Auskünfte aus den Akten ist für die Entscheidung über die Berufungen der Verurteilten jedoch nicht vorgreiflich. Die angefochtene Entscheidung unterliegt somit der Beschwerde.
2. Die Beschwerden sind unbegründet, weil den Verurteilten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Entfernung der erhobenen Kontodaten aus der Akte zusteht.
a) Ein Anspruch auf Entfernung der Auskünfte besteht bereits deshalb nicht, weil die Daten rechtmäßig erhoben sind. Entgegen der Ansicht der Verurteilten bestand schon kein Beweiserhebungsverbot.
aa) Wie die Regelung der §§ 221, 323 Abs. 1 Satz 1 StPO klarstellt, ist der Vorsitzende der mit der Sache befassten Strafkammer befugt, zur Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung anzuordnen, dass in der Anklageschrift nicht bezeichnete Beweismittel herbeigeschafft werden (vgl. Gmel in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 221 Rn. 1 f.; Jäger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 221 Rn. 1). Er entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund der Aktenlage, ob zur Förderung des Verfahrens eine solche Anordnung angezeigt ist (Jäger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 221 Rn. 3). Da die Vorbereitung der Hauptverhandlung und die Sachleitung in der Hauptverhandlung in den Verantwortungsbereich des Vorsitzenden fällt, kommt ihm bei der Beurteilung, ob die Herbeischaffung weiterer Beweismittel sachdienlich ist, ein weiter Beurteilungsspielraum zu.
bb) Hier war der Vorsitzende nach § 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1, 2, 3 Satz 1, § 161 Abs. 1, § 244 Abs. 2 StPO, § 24c Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG befugt, zur Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung die BaFin um Auskunft über die Kontostammdaten zu ersuchen und auf dieser Grundlage bei den jeweiligen Kreditinstituten Auskünfte über die Kontobewegungen einzuholen.
(1) Auch beim Verdacht geringfügiger Straften können die Strafverfolgungsbehörden zur Aufklärung der Vermögensverhältnisse, soweit sie für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind (vgl. § 160 Abs. 3 Satz 1 StPO), eine Auskunft über Kontostammdaten nach § 24c Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG einholen.
Nach dem Wortlaut des § 24c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG erteilt die BaFin die Auskunft an die Strafverfolgungsbehörden, soweit dies für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Au...