Leitsatz (amtlich)
Ein Sachverständiger setzt sich der Besorgnis der Befangenheit aus, wenn er einer Partei nicht offenbart, dass er bestimmte Unterlagen für die Erfüllung seines Gutachterauftrags von der anderen Partei herangezogen und, wenn auch nur zur Überprüfung der Prämissen seines Hauptgutachtens, verwertet hat.
Normenkette
ZPO § 406
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Beschluss vom 23.10.2013; Aktenzeichen 4 O 333/10) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des LG Ravensburg vom 23.10.2013 - 4 O 333/10, abgeändert und der Ablehnungsantrag der Beklagten vom 5.8.2013 für begründet erklärt.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens gehören zu den Kosten des Rechtsstreits.
Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 151.946,67 EUR
Gründe
I. Mit Beschluss des LG vom 27.2.2013 wurde der Sachverständige Dr.-Ing. Sch. um eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme gebeten. Mit Schreiben vom 13.6.2013 teilte der Sachverständige dem Gericht mit, dass er noch näher bezeichnete Unterlagen benötige. Das LG leitete diese Aufforderung an die Parteivertreter weiter. Die Beklagten erklärten schriftsätzlich, sie gingen davon aus, dass die Unterlagen dem Sachverständigen von der Klägerin zur Verfügung gestellt würden. Die Klägerin teilte schriftsätzlich mit, sich mit dem Sachverständigen zur Abklärung der benötigten Pläne in Verbindung gesetzt zu haben und diese Pläne auf dem Postweg direkt zum Sachverständigen gebracht zu haben.
Daraufhin lehnten die Beklagten den Sachverständigen als befangen ab. Die Kontaktaufnahme zwischen Klägerin und dem Sachverständigen sei weder dem LG noch den Beklagten bekannt gegeben worden. Der Beklagtenseite sei nicht bekannt, welche Verfahrensunterlagen seitens der Klägerin übermittelt worden seien.
Kurz darauf legte der Sachverständige seine ergänzende gutachterliche Stellungnahme vor. Darin wird nach Darstellung des Auftrags unter Ziff. 2 "Unterlagen" lediglich auf je einen Schriftsatz der beiden Parteien Bezug genommen. Weitere Unterlagen, die der ergänzenden Begutachtung zugrunde lagen, wurden nicht genannt.
In einem Schreiben vom 12.8.2013 hat der Sachverständige zum Ablehnungsantrag Stellung genommen. Es habe auf Veranlassung der Klägerseite ein Telefonat zwischen der Klägerseite und einem Mitarbeiter des Sachverständigen gegeben, in dem geklärt worden sei, welche Pläne noch zur weiteren Begutachtung benötigt würden. Die statischen Unterlagen seien benötigt worden, um die im Erstgutachten nach augenscheinlicher Begutachtung zugrunde gelegte Annahme einer bestimmten statischen Konstruktion zu verifizieren. Nach den statischen Plänen sei die ursprüngliche Annahme der statischen Konstruktion zutreffend gewesen, so dass keine andere Beurteilung gerechtfertigt sei.
Mit Schriftsatz vom 16.9.2013 stützten die Beklagten ihren Ablehnungsantrag u.a. darauf, dass der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten die Erlangung der Unterlagen, die Unterlagen selbst, deren Verwertung als auch das Telefonat in keiner Weise erwähnt habe. Mit Schriftsatz vom 1.10.2013 ergänzten sie, dass die Verfahrensunterlagen für den Ausgang des Verfahrens offenbar von erheblicher Bedeutung seien und die vier Leitzordner mit den Unterlagen nicht als Anlage zum Gutachten beigefügt gewesen seien.
Mit Beschluss vom 23.10.2013 hat das LG Ravensburg den Ablehnungsantrag zurückgewiesen. Das Telefonat der Klägerin mit einem Mitarbeiter des Sachverständigen über die angeforderten Unterlagen begründe eine Besorgnis der Befangenheit nicht. Weil es sich um ein Telefonat auf rein ablauftechnischer Ebene gehandelt habe, sei der Sachverständige nicht gehalten gewesen, das Telefonat in seiner ergänzenden Stellungnahme zu erwähnen. Die angeforderten Unterlagen hätten lediglich einer Kontrolle gedient. Einem Sachverständigen sei ein großzügiger Ermessensspielraum einzuräumen, welche Quellen, die seiner Begutachtung zugrunde liegen, er dokumentiere. Nachdem der Sachverständige aus den von der Klägerin überlassenen Unterlagen neue oder das bisherige Gutachten verändernde Feststellungen nicht abgeleitet habe, sei das Unterlassen einer Offenlegung der Verwendung der Planunterlagen von seinem Ermessensspielraum umfasst.
Gegen den am 31.10.2013 zugestellten Beschluss des LG wendet sich die dort am 12.11.2013 eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der sie ihren Ablehnungsantrag weiter verfolgen. Den Beklagten müsse es ermöglicht werden, Unterlagen einzusehen, die als Kontrolle und Bestätigung des Gutachtens vom gerichtlichen Sachverständigen herangezogen und verwertet worden seien. Der Sachverständige habe den Beklagten die Möglichkeit beschnitten, das Gutachten zu kontrollieren und die Schlüsse des Sachverständigen nachzuvollziehen.
Mit Beschluss vom 13.11.2013 hat das LG der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Sachverständi...