Leitsatz (amtlich)
1. Zum Ausschluss des Umgangs, wenn Kontakte mit dem Vater dem mehrfach geäußerten und nachvollziehbar begründeten Willen des 13jährigen Kindes widersprechen würden.
2. Bei der Bemessung der Dauer des Umgangsausschlusses kann auch der Umstand berücksichtigt werden, dass ein weiteres Umgangsverfahren und die damit verbundenen Anhörungen das Kind belasten.
Normenkette
BGB § 1684 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Aktenzeichen 70 F 89/22) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 03.11.2023 in Ziff. 1 der Entscheidungsformel abgeändert.
1. Das Recht des Vaters zum persönlichen Umgang mit dem Kind N. E., geb. .2011, wird bis 04.06.2026 ausgeschlossen.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
III. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
IV. Das Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragsgegners für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind geschiedene Eheleute und Eltern des Kindes N. E., geb. .2011. N. lebt seit der Trennung seiner Eltern im Jahr 2015 bei seiner Mutter.
Der letzte Umgang von N. mit seinem Vater fand im Dezember 2018 statt. Der Umgang wurde danach durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 19.03.2020 (Az.: 70 F 5/19) bis zum 31.01.2022 ausgeschlossen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters wurde mit Beschluss des Senats vom 21.12.2020 (Az.: 17 UF 84/20) zurückgewiesen. Auf den Beschluss vom 21.12.2020, in dem auch der frühere Verlauf der Umgangsangelegenheit seit dem Jahr 2015 näher dargestellt ist, wird verwiesen.
Die Kindesmutter hat mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 11.01.2022 das vorliegende Hauptsacheverfahren eingeleitet und beantragt, die Aussetzung des Umgangs des Kindesvaters über den 31.01.2022 hinaus aufrechtzuerhalten. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ein Umgang entspreche weiterhin nicht dem Kindeswohl. Die bisherige Aussetzung habe zu einer Beruhigung von N. geführt. Allerdings sei der Gesundheitszustand des Jungen weiterhin nicht so stabil, dass ein Umgang befürwortet werden könne. Bei einer Wiederaufnahme der Umgänge sei zu befürchten, dass die erreichten Fortschritte zunichte gemacht würden.
Der Kindesvater ist dem Antrag entgegengetreten. Er hat beantragt, den Umgang so zu regeln, wie es dem Kindeswohl am besten entspricht, wobei er vorgeschlagen hat, dass sechs begleitete Umgangskontakte stattfinden und sodann, nach einer Auswertung, über die weitere Umgangsregelung entschieden wird.
Das Amtsgericht hat Diplom-Sozialpädagogin L., ... zum Verfahrensbeistand für N. bestellt und ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Umgangsfrage bei Prof. Dr. ..., Stuttgart, in Auftrag gegeben.
Ein Befangenheitsantrag des Vaters gegen den Sachverständigen vom 21.09.2022 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 22.11.2022 für unbegründet erklärt.
Der Vater hatte es zunächst abgelehnt, an einer Begutachtung mitzuwirken. Der Sachverständige hat sodann in seinem ohne Einbeziehung des Vaters erstellten Gutachten vom 09.02.2023 auf das Problemverhalten des Vaters und die psychische Vulnerabilität von N. hingewiesen und u.a. eine Aussetzung des Umgangs für weitere zwei Jahre empfohlen.
In der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2023 hat sich der Kindsvater dann doch zu einer Zusammenarbeit mit dem Sachverständigen bereit erklärt. Der Sachverständige wurde daraufhin gebeten, seine Begutachtung unter Einbeziehung des Vaters fortzuführen.
Am 08.05.2023 wurde N. in Anwesenheit von Frau L. durch die Amtsrichterin persönlich angehört. Er brachte hierbei zum Ausdruck, dass er sich Umgangskontakte mit dem Vater vorstellen könne. Auf den über die Anhörung gefertigten Vermerk wird verwiesen.
Nach einer Exploration des Kindsvaters hat der Sachverständige am 21.06.2023 eine "1. Ergänzung" zu seinem Sachverständigengutachten ("Zwischenbericht") vorgelegt und hierin begründet, dass und weshalb als nächster Schritt im Rahmen der Begutachtung eine Zusammenführung von Vater und Sohn im Beisein des Gutachters stattfinden solle.
Nach dem Zusammentreffen von Vater und N. hat der Sachverständige am 10.07.2023 eine "2. Ergänzung" zu seinem Gutachten ("Abschlussbericht") vorgelegt und darin empfohlen, den Umgang des Vaters mit N. bis zum Erreichen des 14. Lebensjahres des Kindes auszusetzen und ihm dann die Möglichkeit zu geben, ohne formale Umgangsregelung selbst zu entscheiden, ob und wann er seinen Vater sehen will. Der Sachverständige schildert in dem Gutachten das Zusammentreffen des Vaters mit dem Jungen, das am 05.07.2023 stattgefunden hat. N. habe dabei hinsichtlich der Umgänge mit dem Vater erklärt, dass er es sich nun anders überlegt habe und sei in der Folge bei einer zögernden bzw. ablehnenden Haltung zu Umgängen geblieben. Nachdem der Vater den Raum verlassen hatte, habe N. zum Sachverständigen ...