Leitsatz (amtlich)

Einem Insolvenzverwalter kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden für die Beteiligung an einem Passivprozess als Streithelfer zur Abwehr denkbarer Schadensersatzansprüche einfacher Insolvenzgläubiger, nachdem er Masseunzulänglichkeit angezeigt hat.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 116; InsO § 208

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Aktenzeichen 1 O 45/11)

 

Tenor

Der Antrag des Streithelfers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit dem Abschluss eines fremdfinanzierten Rentenmodells im Jahr 2002.

Der Kläger begehrt von der Beklagten in erster Linie Schadensersatz aufgrund behaupteter Verletzungen der Aufklärungspflicht im Hinblick auf einen zwischen den Parteien abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag, hilfsweise die Erfüllung des Vertrages. Die zwischenzeitlich insolvente R. & P. F. GmbH initiierte und entwickelte das Anlagemodell "Europlan", das ein Versicherungsprodukt der Beklagten enthielt. Der Streithelfer, Insolvenzverwalter der R. & P. F. GmbH, ist bereits in der ersten Instanz anlässlich der Streitverkündung der Beklagten, vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 31.3.2011 (Bl. 67 ff. d.A.), mit Schriftsatz vom 20.4.2011 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten (Bl. 142f d.A.). Hintergrund der Streitverkündung sind eventuelle Regressansprüche der Beklagten, die gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden wären.

Mit Urteil vom 27.9.2011 stellte das LG Ravensburg, Aktenzeichen 1 O 45/11, unter Abweisung der Klage im Übrigen fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus dem Lebensversicherungsvertrag zwischen den Parteien mit der Nr. 5073094W vierteljährliche Auszahlungen jeweils zum 20.03., 20.06., 20.09. und 20.12. wie folgt zu leisten:

Vom 20.12.2011 bis einschließlich 20.6.2012 jeweils 1240 EUR,

vom 20.9.2012 bis 20.3.2017 jeweils 1210 EUR,

vom 20.6.2017 bis 20.3.2042 jeweils 2315 EUR.

Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte Berufung eingelegt.

Mit Schriftsatz vom 17.1.2012 beantragt der Streithelfer, Dr. T. K., Insolvenzverwalter über das Vermögen der R. & P. F. GmbH, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B. als Rechtsanwalt und Verfahrensbevollmächtigten (Bl. 476f d.A.).

In der Antragschrift wird zur Begründung dargelegt, dass das vorhandene Vermögen zum Teil Sondervermögen für die Einlagerung der Insolvenzakten sei. Als Massekosten bestünden daneben noch erhebliche Forderungen eines Kreditinstituts aus einer Zession. Der Antragsteller hat deshalb die Unzulänglichkeit der Masse gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt und die Bekanntmachung des Insolvenzgerichts vorgelegt (Bl. 478 d.A.). Nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Kosten des Rechtstreits i.S.d. § 116 ZPO nicht aufgebracht werden könnten. Da es vorliegend nicht um die Beiziehung von Ansprüchen zur Masse gehe, sei es auch den Gläubigern nicht zuzumuten, sich an den Kosten des Beitritts, insbesondere durch einen Kostenvorschuss, zu beteiligen. Nachdem desweiteren keine Einstandspflicht einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung der Insolvenzschuldnerin bestehe, seien die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegeben. In der Sache sei die Rechtsverfolgung, nämlich zumindest die Abwehr des Hauptantrages des Klägers zu erreichen, erfolgversprechend.

II. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Die vom Streithelfer beabsichtigte Rechtswahrnehmung im zweiten Rechtszug erscheint mutwillig, §§ 116 S. 2, 114 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO. In der vorliegenden Prozesssituation ist es nicht geboten, dass der Insolvenzverwalter möglichen Ansprüchen, die zur Tabelle angemeldet werden könnten, durch Abwehr einer Interventionswirkung entgegen tritt.

Grundsätzlich darf ein Insolvenzverwalter zwar unberechtigt zur Tabelle angemeldete Forderungen abwehren. Dem Begehren des Insolvenzverwalters, die Feststellung einer für unberechtigt gehaltenen Forderung zur Tabelle abzuwehren, darf das Rechtsschutzbedürfnis im Regelfall nicht abgesprochen werden, auch wenn die voraussichtliche Quote bei Null liegt (vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2008 - IX ZR 126/07, NJW-RR 2009, 126).

Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit beeinflusst aber die Aufgabenstellung sowie die Pflichten des Insolvenzverwalters in gewissen Bereichen. Zwar bleibt der Insolvenzverwalter entsprechend § 208 Abs. 3 InsO verpflichtet, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten. Dazu gehört es, gegebenenfalls Anfechtungsansprüche durchzusetzen (BGH Beschl. v. 16.7.2009 - IX ZB 221/08, NJW-RR 2009, 1346). In einem solchen Fall wäre die Prozessführung nicht als mutwillig i.S.v. § 114 ZPO anzusehen (vgl. auch BGH, Beschl. v. 28.2.2008 - IX ZB 147/07, NZI 2008, 431).

Wenn die Insolvenzmasse aber nicht mehr ausreicht, um auch nur die Kosten des Verfahre...

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