Leitsatz (amtlich)
1. Eine Abänderung des Streitwertes durch das Berufungsgericht wird erst mit der Mitteilung der Entscheidung nach § 516 Abs. 3 ZPO unzulässig.
2. Führt eine Änderung des Streitwerts zu einer rechnerischen Unrichtigkeit der durch die Berufungsrücknahme rechtskräftig gewordenen und nicht nach § 319 ZPO analog korrigierbaren erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung, ist dies hinzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn dies zu einer unbilligen Kostenbelastung einer Partei führt (entgegen BGH MDR 1977, 925).
Normenkette
ZPO §§ 3, 319, 516 Abs. 3; GKG § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 09.01.2014; Aktenzeichen 7 O 45/13) |
Tenor
1. Nachdem die Berufungsklägerin die Berufung gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 9.1.2014 - 7 O 45/13, zurückgenommen hat, wird sie des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt. Die Berufungsklägerin hat die durch die Berufung entstandenen Kosten zu tragen (§ 516 Abs. 3 ZPO).
2. Der Streitwert wird für
- die 1. Instanz auf 125.404,62 EUR und
- die 2. Instanz auf 87.000 EUR
festgesetzt.
Gründe
Der Streitwert für den Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaft ist gem. §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO mit dem Höchstbetrag der Bürgschaft von 87.000 EUR zu bewerten (1.), was für die 1. Instanz zu einem Streitwert von 125.404,62 EUR (= 87.000 EUR + 38.404,62 EUR) und für die 2. Instanz zu einem Streitwert von 87.000 EUR führt. Trotz der mit Verfügung vom 5.8.2014 vom Senat erwogenen Gründe ist auch eine Anpassung des Streitwertes 1. Instanz vorzunehmen (2.).
1. Der Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaft ist mit 87.000 EUR zu bewerten. Die Klägerin möchte mit ihrem Herausgabeverlangen verhindern, dass die V-Versicherung als Bürge wegen der von der Beklagten berühmten Mängelbeseitigungskosten von über 130.000 EUR bis zum Höchstbetrag der Bürgschaft in Anspruch genommen wird. Auf die Verfügung vom 31.7.2014 wird insoweit Bezug genommen.
2. Auch für die 1. Instanz ist der Streitwert entsprechend anzupassen.
a. Die erfolgte Rücknahme der Berufung steht dem nicht entgegen. Eine Abänderung des Streitwertes nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG ist erst ab der Mitteilung der Entscheidung nach § 516 Abs. 3 ZPO unzulässig (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 63 GKG Rz. 51). Diese erfolgt aber erst mit dem vorliegenden Beschluss.
b. Dass eine entsprechende Heraufsetzung des Streitwerts für den Herausgabeanspruch der Bürgschaft nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG für die 1. Instanz zu einem Gesamtstreitwert von 125.404,62 EUR und damit zu einer rechnerischen Unrichtigkeit der aufgrund der Berufungsrücknahme rechtskräftigen erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung führt, ist hinzunehmen.
Einer rechnerischen Unrichtigkeit der rechtskräftigen erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung kann nicht über eine analoge Anwendung des § 319 ZPO begegnet werden (so aber Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JEVG, 3. Aufl. 2013, § 63 Rz. 12 a.E.; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 63 Rz. 40; OVG NW, Beschl. v. 12.9.2006 - 13 A 3656/04, NVwZ-RR 2007, 213; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.2.1992 - 19 U 16/91, NJW-RR 1992, 1407). Denn für eine analoge Anwendung des § 319 ZPO fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke (vgl. BGH, Beschl. v. 30.7.2008 - II ZB 40/07, MDR 2008, 1292, 1293; OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.2.2001 - 20 W 31/00, MDR 2001, 892, 893). Daraus, dass der Gesetzgeber mit § 107 Abs. 1 Satz 1 ZPO für das Kostenfestsetzungsverfahren eine entsprechende Anpassungsmöglichkeit bei einer nachträglichen Streitwertänderung vorsieht, kann zumindest nicht auf eine planwidrige Regelungslücke geschlossen werden. Denn mit § 99 Abs. 1 ZPO hat der Gesetzgeber eine isolierte Anfechtung der Kostengrundentscheidung im Grundsatz sogar ausgeschlossen (vgl. auch BGH, Beschl. v. 30.7.2008 - II ZB 40/07, MDR 2008, 1292, 1293, juris Rz. 17).
c. Ebenso ist hinzunehmen, dass eine Erhöhung des Streitwerts in erster Instanz vorliegend zu einer unbilligen Kostenbelastung der Klägerin führt.
aa. Die Klägerin wird durch die Streitwerterhöhung mit höheren Kosten aus der für sie ungünstigen rechtskräftigen Kostenquote von 60 % belastet. Bei zutreffender Streitwertfestsetzung durch das LG hätte sie bei entsprechender Quotelung nur rund 30 % (38.404,62 EUR/125.404,62 EUR) der Kosten 1. Instanz tragen müssen.
bb. Der Bundesgerichthof und andere OLG haben in Fällen, in denen eine Streitwertkorrektur zu einer unbilligen Kostenbelastung geführt hätte, von einer Streitwertkorrektur aus diesem Grund abgesehen (vgl. BGH, Beschl. v. 31.8.2000 - XII ZR 103/98; BGH, Beschl. v. 30.6.1977 - VIII ZR 111/76, MDR 1977, 925; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.6.1992 - 9 W 52/92, NJW-RR 1992, 1532, 1533). Der BGH hat zudem darauf hingewiesen, dass das Gebühreninteresse der Staatskasse und der Prozessbevollmächtigten dem Interesse der Parteien an einer zutreffenden Kostenentscheidung nachrangig sei (vgl. BGH, Beschl. v. 30.6.1977 - VII ZR 111/76, MDR 1977, 925, juris Rz. 5).
cc. Gleichwohl sieht sich der ...