Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedingte Kapitalerhöhung. „naked warrants”. Eintragung einer Satzungsänderung
Leitsatz (amtlich)
Eine Kapitalbeschaffung durch „naked warrants” gehört nicht zu den Gestaltungen, die – erkennbar – nach Inhalt und Auswirkungen den in § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG genannten Fällen entsprechen. Das Registergericht darf bei neuen Finanzierungsinstrumenten in seinen Prüfungspflichten und -möglichkeiten nicht überfordert werden.
Normenkette
AktG § 192 Abs. 2, § 221
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 4 KfH T 5/2001) |
AG Stuttgart (Aktenzeichen 18 HRB 19972) |
Tatbestand
I.
Die Hauptversammlung der seit April 1999 im Handelsregister eingetragenen Aktiengesellschaft – primärer Geschäftszweck: Wertpapier- und Terminhandelsgeschäfte – mit einem Grundkapital von ursprünglich 3 Mio EUR, eingeteilt in 3 Mio Stückaktien, hat im September 1999 den Vorstand u. a. ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats bis zum 31.12.1999 30.000,– „naked warrants” (= 1 % des Stammkapitals) auf Inhaberstückaktien der Gesellschaft auszugeben. Weiter wurde unter Punkt 8 beschlossen:
„Die „naked warrants” werden den Aktionären im Wege des unmittelbaren Bezugsrechts angeboten. Die Frist für die Annahme des Bezugsangebots endet zwei Wochen nach der Bekanntmachung des Bezugsangebots. Die Inhaber der „naked warrants” erhalten das unentziehbare Recht, eine bis 18.10.2001 im Verhältnis 1:1 in neue Inhaberaktien der Gesellschaft umzutauschen. Die neuen Inhaberaktien sind ab 1. Januar des Jahres ihrer Ausgabe dividendenberechtigt.
Der Vorstand ist ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrates weitere Einzelheiten der Ausgabe der Optionsscheine und des Bezugsverfahrens festzusetzen.
Der Beschluss steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 9 (bedingte Kapitalerhöhung und Satzungsänderung) gemäß den Anträgen der Verwaltung gefasst werden.”
Unter Punkt 9 wurde beschlossen:
„Aufsichtsrat und Vorstand schlagen der Hauptversammlung vor, einen Beschluss über die Beschaffung eines bedingten Kapitals zu fassen:
a) Das Grundkapital wird um bis zu EUR 30.000,– bedingt erhöht durch Ausgabe von bis zu 30.000 Stück neuer Inhaberstückaktien mit Gewinnberechtigung ab Beginn des im Jahr der Ausgabe laufenden Geschäftsjahrs. Die bedingte Kapitalerhöhung dient der Bedienung von Bezugsrechten der Inhaber von „naked warrants”, zu deren Ausgabe der Vorstand gemäß Tagesordnungspunkt 8 ermächtigt wurde….”
Die Satzung wurde unter Berücksichtigung der Beschlussfassung ergänzt und die Änderung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet.
Das Registergericht hat die – weitere Änderungen umfassende – Anmeldung in diesem Punkt zurückgewiesen, da kein Fall des § 192 Abs. 2 AktG vorliege. Hiergegen hat sich die Antragstellerin mit der Beschwerde gewandt, mit der sie geltend macht, dass zum einen die Ausgabe von „naked warrants” als zulässiges Finanzierungsinstrument anzusehen sei, weshalb zum zweiten in analoger Anwendung des § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG zur Bedienung der Bezugsrechte auch die Schaffung bedingten Kapitals möglich sein müsse.
Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen mit der Begründung, dass die Schaffung bedingten Kapitals ausschließlich in den in § 192 Abs. 2 AktG vorgesehenen Fällen möglich sei, von denen hier keiner vorliege. Mit der weiteren Beschwerde verfolgt die Antragstellerin weiterhin die Eintragung der Satzungsänderung auch, soweit dort die Schaffung bedingten Kapitals zur Absicherung der reinen Bezugsrechte vorgesehen ist.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach §§ 27 FGG, 550 a. F. ZPO als Rechtsbeschwerde statthafte und auch sonst zulässige weitere Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die von der Antragstellerin gewählte Form der Beschaffung von Eigenkapital durch die Begebung von reinen Optionsrechten verbunden mit der Bereitstellung eines bedingten Kapitals zur Bedienung der Optionsinhaber ist im Aktiengesetz – ausdrücklich – nicht vorgesehen. § 192 Abs. 2 AktG nennt nur drei Fallgruppen, zu deren Umsetzung die in Abs. 1 beschriebene bedingte Kapitalerhöhung vorgenommen werden soll:
- zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen;
- zur Vorbereitung des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen;
- zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung der Gesellschaft oder eines verbundenen Unternehmens im Wege des Zustimmungs- oder Ermächtigungsbeschlusses.
Nr. 2 und 3 liegen unzweifelhaft nicht vor. Auch Nr. 1 ist unmittelbar nicht gegeben, da die Bezugsrechte hier nicht an Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen oder Optionsanleihen gegeben werden, sondern gerade ohne eine solche Verknüpfung als „nackte” Optionsrechte. Diese Begrenzung auf abschließend beschriebene Zwecke soll den Ausnahmecharakter der bedingten Kapitalerhöhung gegenüber der ordentlichen Kapitalerhöhung deutlich machen.
Gleichwohl ist inzwischen weitgehend die grundsätzliche Analogiefähigkeit des § 192 Abs. 2 AktG anerkannt (vgl. m....