Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen für die Zuweisung einer Ehewohnung bei der Beeinträchtigung des Wohls von Kindern gem. § 1361b Abs. 1 S. 2 BGB.

2. Wird in einer Ehewohnugssache ein Kind angehört, ist dieses gem. § 29 Abs. 2 FamFG, § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechend über das ihm zustehende Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren.

 

Normenkette

BGB § 1361b; FamFG § 29; ZPO § 383

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Beschluss vom 17.06.2014; Aktenzeichen 28 F 1099/14)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Stuttgart vom 17.6.2014 - 28 F 1099/14, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

4. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., Stuttgart, ratenfrei Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten in einem einstweiligen Anordnungsverfahren über die Zuweisung der Ehewohnung.

Die Antragstellerin,... Staatsangehörige mit ... Migrationshintergrund und der Antragsgegner,... Staatsangehöriger, sind seit dem ... verheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder ..., geb. am ...,..., geb. am ... und ..., geb. am ..., hervorgegangen.

Mit Mietvertrag vom 19.08./31.8.1999 haben die Eheleute die streitgegenständliche Wohnung in der ...,..., gemeinsam angemietet, in der sie beide zusammen mit ihren drei Kindern lebten.

Die Antragstellerin strebte im ersten Rechtszug im Wege einer einstweiligen Anordnung die Zuweisung der Ehewohnung zunächst über einen Gewaltschutzantrag gem. § 2 GewSchG an. In der mündlichen Verhandlung vom 17.6.2014 stellte die Antragstellerin ihren Antrag dahingehend um, dass ihr die Ehewohnung nach § 1361b BGB zugewiesen werde.

Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, dass die häusliche Situation für sie und die Kinder absolut unzumutbar sei. Der Antragsgegner übe gegen sie psychische Gewalt aus, indem er sie beleidige und ihr verbiete, mit anderen Leuten zu telefonieren. Fast täglich beschimpfe und bedrohe der Antragsgegner sie. Gegenüber den Kindern drohe der Antragsgegner an, dass die Antragstellerin Blut sehen würde, wenn sie die Scheidung haben wolle. Die Antragstellerin schlafe schon seit ca. zwei Jahren mit den Kindern im Kinderzimmer und verbarrikadiere dieses nachts mit Möbeln, damit der Antragsgegner nicht in das Zimmer hereinkommen könne. Ungeachtet dessen störe der Antragsgegner die Nachtruhe, indem er mitten in der Nacht anfange, lautstark zu singen, so dass der Schlaf der Antragstellerin als auch der der Kinder gestört werde. Der Antragsgegner schreie die Kinder an und habe der älteren Tochter mit Schlägen gedroht.

Das AG hat die Antragstellerin und den Antragsgegner sowie das älteste Kind ... angehört.

Nach mündlicher Erörterung hat das AG im Wege einer einstweiligen Anordnung am 17.6.2014 unter Ziff. 1 des Tenors wie folgt beschlossen:

Der Antragstellerin wird die im 2. Obergeschoss links gelegene 3-Zimmer-Wohnung in der ... in ... nebst Bad, Küche und WC sowie Abstellraum und Kellerraum zur alleinigen Nutzung bis zur Rechtskraft einer Scheidung zugewiesen

Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass ein besonderes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden bestehe, nachdem aufgrund erheblicher Spannungen mit nicht mehr hinnehmbaren Auswirkungen auf die Kinder unmittelbarer Handlungsbedarf bestehe. Es entspreche der Billigkeit, der Antragstellerin als derjenigen, die sich weit überwiegend um die Belange der Kinder kümmere, die Wohnung zuzuweisen, damit die Kinder im gewohnten Umfeld weiter leben können.

Gegen den Beschluss des AG hat der Antragsgegner Beschwerde mit folgendem Antrag eingelegt:

Der Beschluss des AG Stuttgart - Familiengericht - vom 17.6.2014 wird aufgehoben.

Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, dass seine Anwesenheit in der Ehewohnung nicht zu einer Gefährdung des Wohls der Kinder führe. Die Behauptungen der Antragstellerin über Bedrohungen und Beschimpfungen seien unwahr. Eine Nachbarin habe dem Antragsgegner erklärt, sie habe sich mit der Antragstellerin abgesprochen, um Aussagen zu machen, die den Antragsgegner belasten. Auf die Anhörung des Kindes ... hätte das AG seine Entscheidung deshalb nicht stützen dürfen, da ... nicht über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden sei.

Des Weiteren verweist der Antragsgegner darauf, dass er noch unter den Folgen einer am 6.6.2014 erfolgten Operation leide, weshalb er in besonderem Maße auf einen Verbleib in der Ehewohnung angewiesen sei.

Im Übrigen moniert der Antragsgegner, dass die Antragstellerin erst in der mündlichen Verhandlung vom 17.6.2014 ihren Antrag dahingehend umgestellt habe, dass sie die Zuweisung der Ehewohnung gem. § 1361b BGB und nicht gem. § 2 GewSchG anstrebe.

Die Antragstellerin beantragt:

Die Beschwerde des Antragsgegners/Beschwerdeführers wird zurückgewiesen.

II.1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft gem. §§ 57 S. 2 Nr. 5, 58 FamFG und ist auch im Übrigen in zulässiger W...

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