Leitsatz (amtlich)
Wird aus Anlass eines Squeeze-out mithilfe fundamentalanalytischer Methoden wie dem Ertragswertverfahren der Unternehmenswert einer Aktiengesellschaft ermittelt, die aufgrund des vorangegangenen Abschlusses eines Beherrschungsvertrages vertraglich beherrscht wird, ist für die Prognose der künftigen Erträge nicht die fiktive Planung eines unabhängigen Unternehmens, sondern die tatsächliche Planung der Gesellschaft als abhängiges Unternehmen maßgeblich.
Normenkette
AktG § 327 f., § 328; SpruchG
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 27.06.2008; Aktenzeichen 34 AktE 1/04 KfH) |
Tenor
1. Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller Ziff. 7), 8), 9), 10), 13), 15), 16), 17), 18) und 25) sowie des gemeinsamen Vertreters gegen den Beschluss des LG Stuttgart vom 27.6.2008 - 34 AktE 1/04 KfH, berichtigt durch Beschluss vom 21.7.2008, werden zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Gegenstand dieses Spruchverfahrens ist die Bestimmung einer angemessenen Abfindung für die Minderheitsaktionäre der A. Aktiengesellschaft (inzwischen firmierend als A.-L. AG; im Folgenden A) nach § 327 f. Satz 2 AktG.
I.1. Gegenstand des Unternehmens der in S. ansässigen A ist die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von Erzeugnissen sowie die Entwicklung, die Planung, die Ausführung und der Vertrieb von Anlagen und Anlagenteilen auf dem Gebiet der Elektrotechnik, insbesondere der Nachrichtentechnik, und verwandter Technik einschließlich der Forschung auf diesen Gebieten. Hinzu kommt die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von Zubehörteilen und Hilfsstoffen für die vorgenannten Erzeugnisse und Anlagen, die Beteiligung an gewerblichen Unternehmen im In- und Ausland sowie die Vornahme aller Geschäfte, die mit der Betätigung auf den vorgenannten Gebieten in Zusammenhang stehen.
Das Grundkapital der A beträgt 282.973.361 EUR. Es ist eingeteilt in 7.679.060 auf den Inhaber lautende Stückaktien. Ende 2002 wurden rund 99,69 % dieser Aktien von der Antragsgegnerin gehalten; die übrigen befanden sich in Streubesitz. Die Aktien der A waren im amtlichen Handel an den Börsen Frankfurt, Berlin, Bremen, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart notiert und wurden im XETRA-System gehandelt.
2. Zwischen der zum französischen A.-Konzern gehörenden Muttergesellschaft der Antragsgegnerin, der A. D. GmbH, und der A wurde am 22.5.1996 ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen. Dieser Vertrag gewährte den außenstehenden Aktionären der A je Aktie im Nennbetrag von 50 DM einen festen Ausgleich (Garantiedividende) i.H.v. mindestens 5,42 EUR sowie eine Abfindung von 122,71 EUR. Zur vergleichsweisen Erledigung eines vor dem Senat unter 20 W 1/02 geführten Spruchverfahrens wurde am 17.4.2002 eine Erhöhung der Garantiedividende auf 6,97 EUR sowie der Abfindung auf 132,94 EUR vereinbart.
3. Die Antragsgegnerin verlangte am 4.11.2002 die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre nach §§ 327a ff. AktG (Squeeze-out). Die A hat dies durch ad-hoc-Mitteilung am 4.11.2002 bekannt gemacht.
In ihrem - von zwei ihrer damals drei Geschäftsführer unterzeichneten - Bericht (Bericht der Hauptaktionärin) vom 7.4.2003 (nach Bl. 29) bot die Antragsgegnerin den Minderheitsaktionären eine Abfindung i.H.v. 150 EUR je Aktie an.
4. Bestandteil des Berichts der Hauptaktionärin war eine gutachterliche Stellungnahme der K. Gesellschaft Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, S., (K) vom 24.3.2003 (K-Gutachten).
K ermittelte den Unternehmenswert der A anhand der Vorgaben der vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) aufgestellten Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1) in der Fassung vom 28.6.2000 im Ertragswertverfahren. Dabei gelangte K - für das in den A.-Konzern eingebundene Unternehmen der A und bei Fortführung des Unternehmens entsprechend dem bisherigen Konzept - zu einem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens der A per 31.12.2002 i.H.v. 980,3 Mio. Euro, der nach Hinzurechnung des in einem vereinfachten Verfahren (buchmäßiges Eigenkapital bzw. Buchwert) ermittelten Werts der gesondert bewerteten Beteiligungen (21,3 Mio. Euro) und des nicht betriebsnotwendigen Immobilienvermögens (67,0 Mio. Euro) sowie Aufzinsung zum 5.6.2003 (Bewertungsstichtag) einen Unternehmenswert von 1.098,7 Mio. Euro ergab, was 143,08 EUR je Stückaktie entspricht.
Die Unternehmensplanung der A gliedert sich in folgende Bereiche:
I. Fixed Networks Division (FND) II. Mobile Networks Division (MND) III. Optical Networks Division (OND) IV. Transport Automation System (Bahnsteuerungstechnik, TAS) V. Components Division (COD) VI. Network Services Division (NSD) VII. sowie den nicht operativen Unternehmensbereich Non-Operating (NOP).
Trotz eines Rückgangs des operativen Ergebnisses des A von 210,...