Leitsatz (amtlich)
1. Ein Spruchverfahren betreffend ein im Rahmen eines Delisting abgegebenes Abfindungsangebot ist nicht statthaft. Dies gilt auch für vor der Entscheidung des BGH vom 8.10.2013 (ZIP 2013, 2254 - Frosta) eingeleitete Spruchverfahren; Anträge auf Durchführung eines derartigen Spruchverfahrens sind deshalb auch dann als unzulässig zu verwerfen, wenn die Anträge vor der Entscheidung des BGH vom 8.10.2013 (ZIP 2013, 2254 - Frosta) gestellt wurden (Anschluss an Senat, Beschl. v. 18.2.2015 - 20 W 8/14).
2. Nach § 15 Abs. 4 SpruchG a.F. bzw. § 15 Abs. 2 SpruchG n.F. tragen die Antragsteller im Spruchverfahren ihre außergerichtlichen Kosten grundsätzlich, also im Regelfall, selbst, sofern nicht die Kostentragungspflicht des Antragsgegners - ausnahmsweise - der Billigkeit entspricht. Hat der Antragsgegner im Spruchverfahren Erfolg, führt dies regelmäßig ohne weiteres dazu, dass die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller nicht der Antragsgegnerseite überbürdet werden (entgegen LG München I, Beschl. v. 28.5.2014 - 5 HK O 19239/07).
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Normenkette
SpruchG §§ 1, 15
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 20.10.2014; Aktenzeichen 31 O 84/07 KfH AktG) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerden der Antragsgegnerinnen wird der Zwischenbeschluss des LG Stuttgart vom 20.10.2014 über die Zulässigkeit des Spruchverfahrens (Az. 31 O 84/07 KfH AktG) aufgehoben.
2. Die Anträge auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung werden als unzulässig verworfen.
3. Die Antragsgegnerinnen tragen die Gerichtskosten beider Instanzen. Die Antragsteller und die Antragsgegnerinnen tragen in beiden Instanzen jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.
4. Der Geschäftswert wird für beide Instanzen auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Antragsteller des Spruchverfahrens begehren als Minderheitsaktionäre der X AG, E., der früheren Antragsgegnerin Ziff. 2, die Festsetzung einer angemessenen Barabfindung wegen Verlustes der Börsenzulassung der Aktien am regulierten Markt (Delisting). Die Y S. A. - Antragsgegnerin Ziff. 1 - als Mehrheitsaktionärin hatte den Aktionären im Anhang der Einladung zu der Hauptversammlung vom 17.4.2007, bei der über den Rückzug der Gesellschaft von der Börse entschieden werden sollte, ein auf März 2007 datiertes Angebot zum Kauf ihrer Aktien an der X AG zum Preis von 7,20 EUR je Aktie mit einer Annahmefrist von drei Monaten ab Veröffentlichung des Widerrufs, jedoch mindestens bis zum Ablauf des 28.9.2007 unterbreitet (s. die Angebotsunterlage, Anlage AG 2). Die Hauptversammlung der X AG beschloss am 17.4.2007 u.a., dass ihr Vorstand ermächtigt wird, den Antrag auf Widerruf der Zulassung der Aktien der Gesellschaft zum regulierten Markt der ... Wertpapierbörse zu stellen. Der Widerruf wurde mit Ablauf des 23.8.2007 wirksam.
Die Anträge in dem Spruchverfahren gingen zwischen Mai und September des Jahres 2007 beim LG ein. Soweit - was hinsichtlich der Antragsteller Ziff. 17, 18 und 19 der Fall ist - sie sich auch gegen die Antragsgegnerin Ziff. 2 richten, ist nunmehr nicht mehr die X AG, E., sondern die A GmbH, M., am Verfahren als Antragsgegnerin Ziff. 2 beteiligt; die X AG, E. ist zwischenzeitlich auf die A GmbH verschmolzen worden (s. den als Anlage Bf 1 vorgelegten Handelsregisterauszug, dort S. 4 [Bl. 408 d.A.]), weshalb das Rubrum entsprechend zu berichtigen war.
Am 8.10.2013 entschied der BGH unter Aufgabe der Grundsätze seiner Macrotron-Entscheidung vom 25.11.2002 (II ZR 133/01, ZIP 2003, 387), dass die Aktionäre bei einem Widerruf der Zulassung einer Aktie zum Handel im regulierten Markt auf Veranlassung der Gesellschaft keinen Anspruch auf eine Barabfindung haben (II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254 - Frosta).
Die Parteien streiten um die Frage, ob das Spruchverfahren in Anbetracht dieser Entscheidung des BGH unzulässig ist.
Das LG Stuttgart hat mit dem angefochtenen Zwischenbeschluss entschieden, dass das Spruchverfahren zulässig sei.
Die Entscheidung des BGH vom 8.10.2013 habe keine rückwirkende Kraft. Für das laufende Spruchverfahren gelte weiterhin die Macrotron-Entscheidung des BGH. Der BGH habe seine Rechtsprechung in Form einer richterlichen Rechtsfortbildung geändert. In der Macrotron-Entscheidung habe der BGH im Wege richterlicher Rechtsfortbildung die Pflicht zur Abgabe eines Erwerbsangebots einschließlich dessen Überprüfung im Spruchverfahren statuiert. Dieser Rechtsfortbildung sei nach Auffassung des BGH durch die Entscheidung des BVerfG vom 11.7.2012 die Grundlage entzogen worden, weshalb der BGH sie aufgegeben habe. Hierdurch sei die durch Richterrecht geschaffene Pflicht zur Abgabe eines Erwerbsangebots entfallen. Es könne dahinstehen, ob eine echte oder eine unechte Rückwirkung vorliege, denn in beiden Fällen sprächen überwiegende Gründe des Vertrauensschutzes der antragstellenden Minderheitsaktionäre gegen eine Rückwirkung. Die Antragsteller hätten im Vertrauen auf den Fortbestand der Macro...