Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert einer Klage auf Rückkehr der Ehefrau nach türkischem Recht
Leitsatz (amtlich)
Die gerichtliche Rückkehraufforderung ggü. dem Ehegatten nach § 164 Abs. 1 türk. ZGB ist gebührenrechtlich als "Ehesache" i.S.d. § 12 Abs. 2 S. 2 GKG a.F. zu behandeln. In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Wert des Streitgegenstandes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insb. des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien nach Ermessen zu bestimmen. Hierbei kann sich wertmindernd auswirken, dass das Ziel der gerichtlichen Aufforderung nach § 164 Abs. 1 türk. ZGB nicht die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft und auch (noch) nicht die Auflösung der Ehe ist.
Normenkette
GKG § 12 Abs. 2 S. 2; Türk. ZGB Art. 164 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Besigheim (Urteil vom 05.02.2004; Aktenzeichen 1 F 1483/03) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gegen die Streitwertfestsetzung für die Ehesache im Urteil des AG Besigheim - FamG - vom 5.2.2004 (1 F 1483/03) wird zurückgewiesen.
II. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Parteien sind türkische Staatsangehörige. Auf den Antrag des Ehemannes hat das FamG nach Art. 164 türk. ZGB durch Urteil die Ehefrau aufgefordert, binnen zwei Monaten ab Rechtskraft der Entscheidung in die Ehewohnung der Parteien zurückzukehren. Den Streitwert für das Verfahren hat es im Urteil auf 2.000 EUR festgesetzt. Mit seiner Beschwerde begehrt der Prozessbevollmächtigte des Ehemannes die Heraufsetzung des Streitwerts auf 5.700 EUR.
Die Beschwerde ist gem. § 25 Abs. 3 S. 1 GKG zulässig. Nach § 9 Abs. 2 BRAGO kann der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers aus eigenem Recht Rechtsmittel gegen die Streitwertfestsetzung einlegen.
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Der Beschwerdeführer geht wie auch das FamG zutreffend davon aus, dass das in Art. 164 Abs. 1 türk. ZGB vorgesehene Verfahren, den Ehegatten gerichtlich aufzufordern, in die gemeinsame Ehewohnung zurückzukehren, gebührenrechtlich als "Ehesache" i.S.d. § 12 Abs. 2 S. 2 GKG zu behandeln ist (vgl. § 606 Abs. 1 S. 1 ZPO). Da es sich bei einer Ehesache gleichzeitig um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 12 Abs. 2 S. 1 GKG handelt, ist der Streitwert für die Ehesache allerdings nicht allein nach den Einkommensverhältnissen der Eheleute zu bemessen, weil es sich hierbei lediglich um einen für die Streitwertfestsetzung maßgeblichen Teilaspekt handelt. In nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten, zu denen auch das Eheverfahren zählt, ist der Wert des Streitgegenstandes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insb. des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien nach Ermessen zu bestimmen (st. Rspr. des Senats, u.a. OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.10.2001 - 17 WF 388/01; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 12 GKG Rz. 22, 36).
Der tatsächliche Umfang des vorliegenden Verfahrens liegt im unteren Bereich. Die Ausführungen der Parteien zur Sach- und Rechtslage sind knapp. Das Verfahren dauerte von der Anhängigkeit bis zum Abschluss rund 2 Monate. Zwischen den Parteien war unstreitig, dass die Ehefrau den Ehemann verlassen hat und die aus der ehelichen Gemeinschaft entstehenden Pflichten nicht mehr erfüllt hat. Damit lagen die Voraussetzungen für eine gerichtliche Aufforderung an die Ehefrau, in die Ehewohnung zurückzukehren, vor. Das FamG hat sich zu Recht nicht damit auseinandergesetzt, ob die Ehefrau zum Getrenntleben berechtigt ist, weil diese Frage erst bei einem nachfolgenden Scheidungsverfahren erheblich ist, bei dem der verlassene Ehegatte den Scheidungsgrund nach Art. 164 türk. ZGB geltend macht. Gerade weil die Zielrichtung der gerichtlichen Aufforderung nach Art. 164 Abs. 1 türk. ZGB nicht die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft und auch (noch) nicht die Auflösung der Ehe ist, rechtfertigt sich ein erhebliches Abweichen von dem 3-fachen Monatseinkommen der Parteien.
Unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass der Antragsgegnerin für das vorliegende Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und dem Antragsteller mit der geringsten Ratenhöhe von 15 EUR monatlich (trotz eines monatlichen Nettoeinkommens von 1.900 EUR) bewilligt worden ist, ist es nicht zu beanstanden, dass das FamG für das vorliegende Verfahren den Mindeststreitwert nach § 12 Abs. 2 S. 4 GKG mit 2.000 EUR festgesetzt hat. Die Beschwerde ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1489108 |
FamRZ 2005, 1696 |
OLGR-Süd 2006, 303 |