Leitsatz (amtlich)
1. Zum Verbot der Doppelverwertung bei Berücksichtigung von Immobiliendarlehen im Zugewinnausgleich und nachehelichen Ehegattenunterhalt.
2. Das Verbot der Doppelverwertung kann nur die Tilgung und nicht die Zinsen betreffen, weil als Passivposition beim Endvermögen im Zugewinn nach § 1375 Abs. 1 BGB nur die Tilgung angesetzt wird. Aber auch der Abzug des Tilgungsanteils des Darlehens vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen führt nicht zu einer einseitigen und ungerechtfertigten Benachteiligung des Unterhaltsberechtigten, wenn der Nachteil der Verbindlichkeit in beiden Ausgleichssystemen durch damit einhergehende Vorteile vollständig ausgeglichen wird. Im Zugewinnausgleich steht der Restschuld am Stichtag ein diese übersteigender Wert der Immobilie entgegen, im Unterhalt ein das Einkommen erhöhender Wohnvorteil
3. Das Verbot der Doppelverwertung greift daher nicht in Bezug auf Verbindlichkeiten ein, denen sowohl im Güterrecht als auch im Unterhalt ein zumindest gleich hoher, dem anderen Ehegatten zugute kommender und durch die Darlehensaufnahme geschaffener wirtschaftlicher Wert entgegensteht. Für den Bereich des nachehelichen Unterhalts ist dies in der Regel durch die Begrenzung der Abzugsfähigkeit eines Darlehens bis zur Höhe des Wohnvorteils, ggf. erhöht um zulässige sekundäre Altersvorsorge (BGH, Beschluss vom 18. Januar 2017 - XII ZB 118/16 -, BGHZ 213, 288-301, Rn. 32), gewährleistet. Im Zugewinnausgleich darf in der Vermögensbilanz zum Endvermögen der Wert der Immobilie nicht niedriger sein als die Restschuld am Stichtag.
Normenkette
BGB §§ 1570, 1573 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Esslingen (Beschluss vom 12.05.2023; Aktenzeichen 6 F 20/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Esslingen vom 12.05.2023 wird dieser dahingehend abgeändert, dass Ziff. 3 wie folgt lautet:
Der Antragsteller wird verpflichtet, an die Antragstellerin monatlichen nachehelichen Ehegattenunterhalt zu bezahlen:
a) für die Monate September, Oktober und November 2023 jeweils 219 Euro, hiervon 42 Euro Altersvorsorgeunterhalt;
b) für Dezember 2023 248 Euro, hiervon 48 Euro Altersvorsorgeunterhalt;
c) für die Monate Januar und Februar 2024 218 Euro, hiervon 42 Euro Altersvorsorgeunterhalt;
d) ab März 2024 monatlich 214 Euro, hiervon 41 Euro Altersvorsorgeunterhalt.
Der Unterhalt wird befristet bis 31.08.2027.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller zu 1/4, die Antragsgegnerin zu 3/4.
Es verbleibt bei der Kostenentscheidung der ersten Instanz.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.968 Euro festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Beschwerde des Antragstellers gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Esslingen vom 12.05.2023, soweit dieses ihn im Scheidungsverbund zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verpflichtet hat.
Die Beteiligten haben am xx.xx.2006 die Ehe geschlossen. Die Trennung erfolgte im Januar 2019, der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 30.01.2020 zugestellt. Mit Beschluss vom 12.05.2023 wurde die Ehe geschieden. Der Scheidungsausspruch ist seit dem 02.09.2023 rechtskräftig.
Aus der Beziehung der Beteiligten sind die bei der Antragsgegnerin lebenden Kinder C., geboren am xx.xx.2005, und H., geboren am xx.xx.2008, hervorgegangen. Der Antragsteller leistet Barunterhalt in Höhe von 120 % des Mindestunterhalts, für die gemeinsame Tochter zumindest bis zur Volljährigkeit.
Beide Beteiligte sind vollschichtig erwerbstätig, der Antragsteller als Ingenieur, die Antragsgegnerin als Erzieherin.
Der Antragsgegner bewohnt eine in seinem Alleineigentum stehende Immobilie und führt ein zur Finanzierung aufgenommenes Darlehen zurück.
Die Folgesache Zugewinn wurde durch Vergleich erledigt. Im Endvermögen des Antragstellers wurde seine Immobilie und ein zur Finanzierung aufgenommenes Darlehen berücksichtigt. Der Antragsteller verpflichtete sich zur Zahlung von 91.031,88 Euro, die auch vor Rechtskraft der Ehescheidung geleistet wurde.
Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 12.05.2023 die Ehe geschieden, im Scheidungsverbund den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsteller verpflichtet, an die Antragsgegnerin unbefristet monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von insgesamt 914 Euro, hiervon 174 Euro Altersvorsorgeunterhalt, zu bezahlen.
Zur Begründung der Entscheidung zum Unterhalt wurde ausgeführt, der Antragsteller könne Altersvorsorge in Höhe von 23 % des Bruttoeinkommens betreiben. Über die Zahlungen an die gesetzliche Rentenversicherung hinaus seien dies monatlich 335,87 Euro. In dieser Höhe betreibe er auch Altersvorsorge. Der Tilgungsanteil des Immobilienkredits könne nicht von seinem Einkommen abgezogen werden, da dies, weil das Darlehen bereits im Zugewinnausgleichsverfahren berücksichtigt worden sei, dem Doppelverwertungsverbot widersprechen würde.
Dem Einkommen der Antragsgegnerin aus Erwerbstätigkeit seien erzielb...