Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Ladung zur Vermögensauskunft trifft der Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen die Wahl zwischen der persönlichen Zustellung (§§ 192, 193 ZPO) oder der Zustellung durch die Post (§§ 192, 194 ZPO). Dem Gerichtsvollzieher muss dabei ein weiter Ermessensspielraum zugestanden werden.
2. Der Gerichtsvollzieher ist bei der ihm obliegenden Ermessensausübung nicht auf die Umstände des konkreten Einzelfalls beschränkt, sondern darauf auch auf allgemeine Erwägungen und genenerelle Erfahrungswerte zurückgreifen. Es muss aber tatsächlich eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Ermessensentscheidung getroffen werden.
3. Eine Anweisung des Gläubigers an den Gerichtsvollzieher, alle erforderlichen Zustellungen durch die Post zu erledigen, ist bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen, reduziert das Ermessen aber nicht ohne Weiteres "auf Null".
Normenkette
ZPO §§ 802a, 802b, 802f, 192-194; GVGA § 15; KVGv Nr. 100; KVGv Nrn. 711, 716
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 10.11.2015; Aktenzeichen 19 T 381/15) |
AG Waiblingen (Beschluss vom 25.08.2015; Aktenzeichen 14 M 1374/15) |
Tenor
1. Auf die weitere Beschwerde der Gläubigerin werden die Beschlüsse der 19. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 10.11.2015 (Az. 19 T 381/15) und des AG Waiblingen vom 25.08.2015 (Az. 14 M 1374/15) aufgehoben.
2. Der Kostenansatz des Obergerichtsvollziehers vom 23.07.2015 (DR II 1045/15) wird insoweit abgeändert, als die Kosten der Zustellung auf EUR 7,05 ermäßigt werden.
3. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Mit Schriftsatz an die Verteilerstelle für Gerichtsvollzieheraufträge beim AG Waiblingen vom 18.06.2015 hat die Gläubigerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO gestellt. Für den Fall, dass der Schuldner dem Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt oder die Auskunft unentschuldigt verweigert, wurde beantragt, den Erlass eines Haftbefehls und die Verhaftung des Schuldners zu bewirken. Zudem teilte die Gläubigerin mit, sie sei, sollte der Schuldner im Rahmen der Vermögensauskunft eine gütliche Erledigung beantragen, einverstanden.
Der Vollstreckungsauftrag enthielt die folgende Weisung: "Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, alle erforderlichen Zustellungen durch die Post zu erledigen!".
Mit Schreiben an die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin vom 23.07.2015 teilte der Obergerichtsvollzieher mit, die Schuldnerin habe im Termin die Vermögensauskunft antragsgemäß abgegeben. Ein Ausdruck derselben lag dem Schreiben bei. Zugleich erstellte der Obergerichtsvollzieher die Kostenrechnung über EUR 58,10 (persönliche Zustellung KV 100: EUR 10,00; Abnahme der Vermögensauskunft KV 260: EUR 33,00; 2 × Wegegeld KV 711 10-20 km: EUR 6,50; Auslagenpauschale KV 716: EUR 8,60).
Die Gläubigerin erhob mit Schreiben vom 05.08.2015 beim AG Waiblingen Kostenerinnerung wegen des Ansatzes der Gebühr für die persönliche Zustellung (KV 100) und der sich hieraus ergebenden Erhöhung der Auslagenpauschale. Der Obergerichtsvollzieher hat mit Schreiben vom 19.08.2015 der Erinnerung nicht abgeholfen und seine Ermessenserwägungen zu Gunsten der persönlichen Zustellung dargelegt.
Das AG Waiblingen - Vollstreckungsgericht - hat mit Beschluss vom 25.08.2015 (14 M 1374/15) die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Diese wurde im folgenden von der Gläubigerin eingelegt. Der Vertreter der Staatskasse ist der Beschwerde entgegengetreten.
Die 19. Zivilkammer des LG Stuttgart hat die Beschwerde der Gläubigerin durch Beschluss vom 10.11.2015 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer antragsgemäß zugelassenen weiteren Beschwerde.
Die Gläubigerin ist der Auffassung, der Ansatz der Gebühr gemäß Nr. 100 KVGv für die persönliche Zustellung sei unzulässig, da der Gerichtsvollzieher angewiesen gewesen sei, erforderliche Zustellungen durch die Post zu bewirken. Die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers unterliege der Disposition des Gläubigers. Der Gerichtsvollzieher sei durch die Regelungen der GVGA als Verwaltungsanordnung nur in der Weise gebunden, dass er sie dienstrechtlich zu beachten habe. Die GVGA sei kein Gesetz, im Außenverhältnis seien die Regelungen der ZPO allein maßgebend. Das dem Gerichtsvollzieher gemäß § 15 Abs. 2 GVGA hinsichtlich der Wahl der Zustellungsart eröffnete pflichtgemäße Ermessen zwischen der persönlichen Zustellung und der Zustellung durch die Post werde durch den ausdrücklichen Auftrag des Gläubigers verdrängt. Weisungen des Gläubigers seien bindend, wenn sie zu Gesetzen oder der GVGA nicht im Widerspruch stünden. Der Gerichtsvollzieher sei nach § 802a Abs. 1 ZPO gehalten, nur die notwendigen Kosten entstehen zu lassen. Mangels besonderer Anhaltspunkte für eine Eilbedürftigkeit sei der Gerichtsvollzieher vorliegend weisungsgemäß gehalten gewesen, die Zustellung per Post durchzuführen. Allgemeine Erwägungen und Erfahrungswerte ...