Gründe

I.

1.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (0,04 g Kokain) zu der Geldstrafe von dreißig Tagessätzen verurteilt und die Höhe eines Tagessatzes auf 10,00 DM festgesetzt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts.

Das Rechtsmittel hat schon mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

2.

Die Staatsanwaltschaft hat wegen der am 22. Juli 1997 begangenen Tat am 18. Februar 1998 Anklage beim Strafrichter des Amtsgerichts erhoben. Dieser hat auf dem Original der Anklageschrift am 23. Februar 1998 handschriftlich vermerkt "+ Antrag auf beschleunigtes Verfahren gem. tel. Antrag v. StA'in L...". Am selben Tag hat er "Termin zur Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren gemäß §§ 417 ff. StPO" auf 23. März 1998 bestimmt. Zur Hauptverhandlung wurde der Angeklagte förmlich geladen unter gleichzeitiger Übersendung einer Ausfertigung der Anklageschrift.

3.

Diese Verfahrensweise entspricht nicht dem Gesetz.

a)

Ziel der durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl 1, S. 3186) mit Wirkung vom 01. Dezember 1994 eingeführten Neuregelung des beschleunigten Verfahrens in den §§ 417 ff StPO ist es, in einfach gelagerten Fällen eine Aburteilung zu ermöglichen, die der Tat auf dem Fuße folgt (BT-Drucksache 12/6853 S. 34). Zur sofortigen Verhandlung geeignet ist eine Sache aber nur dann, wenn Termin zur Hauptverhandlung innerhalb kurzer Frist anberaumt und diese voraussichtlich in einem Termin abgeschlossen werden kann. Die Hauptverhandlung ist deshalb sofort nach Antragstellung oder in kurzer Frist durchzuführen (§ 418 Abs. 1 StPO), die zwei Wochen nicht überschreiten sollte (vgl. BT-Drucksache 12/6853 S. 36- Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 418 Rdnr. 5; Senatsbeschluß vom 28. Januar 1998, 1 Ss 9/98).

b)

Diesen Vorgaben des Gesetzes widerspricht der hier eingehaltene Verfahrensgang. Stellte schon die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren erst am 23. Februar 1998 und damit mehr als sieben Monate nach der Tat vom 22. Juli 1997, so bestimmte das Amtsgericht wiederum Termin zur Hauptverhandlung erst auf den 23. März 1998, einem mehr als einen Monat nach Antragstellung liegenden Zeitpunkt. Dieses Vorgehen von Staatsanwaltschaft und - maßgeblich - Amtsgericht zeigt, daß die Sache ersichtlich nicht für zur sofortigen Verhandlung geeignet gehalten worden war. Dann aber hätte das Amtsgericht den Antrag auf Durchführung des beschleunigten Verfahrens ablehnen und die Sache ins Normalverfahren überführen müssen (§ 419 Abs. 2 und Abs. 3 StPO). Die Ablehnung der Entscheidung im beschleunigten Verfahren wäre selbst noch in der Hauptverhandlung möglich gewesen (§ 419 Abs. 2 Satz 1 StPO); dies zeigt, daß vorliegend das Urteil in dieser Verfahrensart überhaupt nicht hätte ergehen dürfen, zumal von der Beurteilung der Eignung der Sache für die Durchführung des beschleunigten Verfahrens des neuen Rechts auch die Art und Weise der Beweisaufnahme, insbesondere die Möglichkeit erleichterter Beweiserhebung, abhängt (vgl. § 419 Abs. 1-3 StPO einerseits, Abs. 4 dieser Bestimmung andererseits).

4.

Der Senat braucht - da eine zulässige Verfahrensrüge erhoben ist - derzeit nicht abschließend zu entscheiden, ob der aufgezeigte Verfahrensmangel im Revisionsverfahren von Amts wegen oder nur auf Rüge zu beachten ist. Ebenso wie bei Überschreitung der Strafobergrenze des § 419 Abs. 1 Satz 2 StPO durch das im beschleunigten Verfahren entscheidende Amtsgericht führt der vorliegende Verfahrensverstoß allerdings nur zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, entgegen dem früheren Rechtszustand aber nicht zur Einstellung des Verfahrens wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses. Dies folgt aus § 419 Abs. 3 StPO, wonach bei Ablehnung der Entscheidung im beschleunigten Verfahren das Amtsgericht im Falle hinreichenden Tatverdachts die Eröffnung des Hauptverfahrens zu beschließen hat. Demgemäß hat der neue Tatrichter hier zunächst darüber zu befinden, ob nunmehr das Hauptverfahren zu eröffnen ist, bejahendenfalls ist das Verfahren als normales Strafverfahren weiterzuführen.

Für die im Falle der Eröffnung des Hauptverfahrens durchzuführende erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß angesichts der den Gegenstand des Tatvorwurfs bildenden Menge von 0,04 g Kokain der Tatrichter zwingend zu prüfen und im Urteil darzulegen haben wird, ob die Voraussetzungen des § 29 Abs. 5 BtMG gegeben sind. Daß dies im angefochtenen Urteil unterblieben ist. stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar, der für sich jedenfalls zur Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch geführt hätte,

III.

Für die Entscheidung über den in der Revisionsbegründungsschrift und erneut im Schriftsatz vom 18. Juni 1998 gestellten Antrag des Angeklagten auf Bestellung eines Verteidigers für das Revisionsverfahren ist der letzte Tatrichter, nicht das Revisionsgericht zuständig, dessen Vorsitzender nur ...

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